Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis ist Professor für Wirtschaftswissenschaften. Sein Fachgebiet ist die Spieltheorie. In diesem Teilgebiet der Mathematik geht es darum, welche Entscheidungen in Konfliktsituationen am besten sind.
Eines dieser Spiele könnte man mit «Wer ist der grösste Angsthase?» beschreiben: Zwei Autos rasen aufeinander zu. Das eine Fahrzeug ist eine Luxuskarosse, das andere ein ausgebeulter Secondhand-Wagen. Der Fahrer des teuren Wagens wird wahrscheinlich als erster ausweichen. Sein finanzieller Verlust – bei einer Kollision – wäre massiv höher als beim Fahrer der Rostlaube.
Es scheint, als ob Griechenland bisher von dieser Konfliktsituation ausgegangen ist: Die Angst vor einem Domino-Effekt auf andere Länder, falls Griechenland aus dem Euro austreten würde, bestimmte für lange Zeit das Worst-Case-Szenario. Aber wie sieht die Ausgangslage aus, wenn die obenerwähnte Luxuskarosse gepanzert ist? Was, wenn der Zusammenstoss höchstens einen kleinen Kratzer am teuren Wagen hinterlassen würde?
Die Antwort darauf haben heute die Finanzmärkte gegeben: Die Reaktionen auf den Verhandlungsabbruch in Brüssel fielen insgesamt moderat aus. Wenn es nach diesen Märkten geht, wäre ein Austritt Griechenlands aus dem Euro wohl kein Desaster. Als gestern Abend die Verhandlungen zwischen Griechenland und der EU scheiterten, fiel der Euro gegenüber dem Dollar auf verkraftbare 0,95 Cents.
Europäische Finanzminister haben nicht mehr viel Geduld
Nicht erst seit diesem leichten Achselzucken der Börse muss Varoufakis sein Spielmodell neu überdenken. Die Hingabe zu Griechenland scheint bei den europäischen Partnern nicht unendlich zu sein. Und auch im Ton wird man brüsker. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem bringt die Stimmung seiner Finanzkollegen auf den Punkt. Angesprochen auf die Weiterverhandlung mit Griechenland, meinte er: «Ich glaube, wir haben noch diese Woche, aber das ist es dann wahrscheinlich auch.»
Doch welche Alternativen zu den europäischen Hilfsprogrammen hat Griechenland überhaupt? Zwei Ideen wurden in letzter Zeit immer wieder erwähnt. Wir wollen sie im Realitätscheck durchleuchten:
Suche nach neuen Freunden
Der Vorschlag kam vom griechischen Verteidigungsminister Panos Kammenos: «Das wären am besten die USA, aber es könnten auch Russland oder China oder andere Länder sein.» Vom Riesenreich China darf Griechenland allerdings wenig Hilfe erwarten. Dies umso weniger, nachdem die neue griechische Regierung die Privatisierungspläne aus Eis legte, die ihre Vorgängerregierung noch im Sommer 2014 mit China aufgleisten.
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Bleiben die USA. Die Amerikaner haben beim Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Kapitalanteil von 17,69 Prozent. Nach dem Rausschmiss der Troika , zu der der IWF zählte, waren die USA ähnlich düpiert wie die Europäer. Und: Schon einmal fand ein Run auf griechische Papiere statt. Der Kurssturz dürfte noch im Gedächtnis potentieller Anleger haften bleiben.
Comeback der Drachme?
Drachmen gab es schon im 6.Jahrhundert vor Christus. Die modernen Drachmen-Münzen hatten bis Ende 2001 Gültigkeit. Eine Neuauflage würde gemäss SRF-Wirtschaftsredakteur Reto Lipp positive Nebeneffekte auslösen: «Die Preise und Produktionskosten würden massiv sinken, was vor allem den Tourismus ankurbeln könnte.». Aber: Die neue Währung würde sich kaum auf dem internationalen Markt durchsetzen. Sie wäre zu anfällig für Abwertungen. Lipp geht von einem finanziellen Ruin Griechenlands aus.
Dazu kommt: Die Bereitstellung und Auslieferung von neuen Banknoten und Münzen würde Monate dauern. Zeit, die die griechische Regierung nicht hat. Zum Vergleich: Die Schweizerische Nationalbank liegt mit der Herstellung neuer Banknoten über vier Jahre im Verzug.