Im vergangenen Juni war Selahattin Demirtas zu Besuch in Bern. Damals sagte er, dass Erdogan die HDP nicht als politischen Gegner sehe, sondern als Feinde, die er kaltstellen wolle. Die aktuellen Ereignisse geben Demirtas recht.
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Demirtas ist neben Figen Yüksedag Vorsitzender der pro-kurdischen Partei HDP und erklärter Gegner von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Seine politischen Erfolge könnten ihm nun zum Verhängnis werden. Einen Anschlag am 23. November 2015 überlebte er. Damals wurde auf sein Fahrzeug geschossen. Wer die Schüsse abgab, ist nicht bekannt.
Kurdenkonflikt als zentrales Thema
Der 43-Jährige Jurist hat es bereits zweimal als unabhängiger Kandidat in das türkische Parlament geschafft. 2014 hat er sich der pro-kurdischen HDP (Halklarin Demokratik Partisi/Demokratische Partei der Völker) angeschlossen. Diese ist ein Sammelbecken verschiedener kurdischer, linker und alternativer Parteien.
Demirtas ist vor allem denjenigen ein Dorn im Auge, die eine Einigung mit den Kurden ablehnen. Der HPD-Chef steht für eine klare Entspannungspolitik bezüglich des Kurdenkonflikts. Gegenüber der PKK distanziert er sich aber öffentlich. Trotzdem beschuldigt Erdogan die HDP, lediglich ein verlängerter Arm der PKK zu sein.
HDP verhindert Präsidialsystem
Bei der Wahl im Juni 2015 schaffte die HDP den Einzug ins Parlament. Nach den Neuwahlen vom November ist die HDP die zweitgrösste Oppositionspartei der Türkei und Demirtas ein politischer Star. Demirtas setzt dabei nicht nur auf die Stimmen der Kurden, sondern auch auf die der Erdogan-Gegner. Er porträtiert die HDP als die einzige Partei, die eine «Diktatur» Erdogans stoppen könne.
Eine Koalition mit Erdogans AKP lehnte er ab. Seine Partei hat ausserdem dafür gesorgt, dass die notwendige Parlamentsmehrheit für ein Präsidialsystem bisher nicht zustande gekommen ist.
Im Mai 2016 liess Erdogan die Immunität vieler HDP-Politiker aufheben. Nun hat er den nächsten Schritt vollzogen und seinen ärgsten Widersacher Demirtas samt einiger Parteikollegen festnehmen lassen.