Am Dienstag Abend klang es gehässig auf einem der arabischen Nachrichtenkanäle. Folgende Fragen führten zu einem heftigem Schlagabtausch: Setzt Saudi-Arabien nun auch im kleinen Libanon auf Eskalation? Und wieweit ist eine Ächtung der Schiitenmiliz Hisbollah gerechtfertigt?
Das Misstrauen sitzt tief – immerhin so viel ist klar. Es begann letzte Woche mit Reisewarnungen, saudischen Staatsbürgern wird dringend davon abgeraten, nach Libanon zu reisen. Einst eine beliebte Sommerfrische.
Golfstaaten im Schlepptau der Saudis
Die kleineren Golfstaaten, die sich in der saudischen Einflusssphäre bewegen, zogen nach und warnen nun ebenfalls.
Saudi-Arabien strich auch milliardenschwere Rüstungshilfe, die der libanesischen Armee zugedacht war. Und im Golfkooperationsrat setzten die Ölscheichs gestern noch eins drauf. Sie erklärten die libanesische Hisbollah formell zur terroristischen Organisation.
Das tun auch die Amerikaner und teils die Europäer. Doch es gibt da ein Problem: Die schiitische Hisbollah ist nicht nur eine schwerbewaffnete Miliz, und ein Kriegsakteur in Syrien. Sie ist auch eine politische Kraft im Vielvölkerstaat Libanon – und zwar nicht irgendeine, sondern die wichtigste.
Schalthebel der Macht
Dank ihren Waffen und ihrem politischen Geschick hat die Hisbollah den schiitischen Bevölkerungsteil Libanons von der Peripherie ins Zentrum der Macht aufsteigen lassen. Und auch dank dem Geld aus Iran, sagen ihre Kritiker. Der libanesische Staat hat keine Entscheidungsfreiheit mehr, sagte der ehemalige Präsident Amin Gemayel gestern. Er ist ein christlicher Politiker.
Der Vorwurf, das kleine arabische Mittelmeerland sei durch die Hisbollah zur Geisel iranischer, also persischer Interessen geworden, ist stärker noch an den sunnitischen Rändern zu hören.
Die Hisbollah führt den einen von zwei grossen Blocks an, die in Libanon die Politik definieren. Der andere, schwächere Block wird von sunnitischen Kräften dominiert, hinter denen Saudi-Arabien steht. Wenn Libanon funktionieren soll, müssen sich die beiden Seiten irgendwie zusammenraufen. Das galt stets als kleinster gemeinsamer Nenner beider Staaten.
Bröckelt der iranisch-saudische Stillhalte-Pakt?
Die regionalen Spannungen haben dies schon bisher schwer gemacht. Am Mittwoch nahm das libanesische Parlament einen neuen Anlauf, die längst überfällige Wahl eines neuen Staatspräsidenten abzuhalten. Auch er scheiterte, wie die 35 Anläufe zuvor.
Doch bisher gab es eine Art stillschweigende Übereinkunft zwischen den beiden Rivalen Iran und Saudiarabien, es im Libanon nicht zur offenen Konfrontation kommen zu lassen. Hat die sunnitische Golfmonarchie die Übereinkunft gekündigt? Beobachter sind sich einig, dass Saudi-Arabien mit dem neuen König in der ganzen Region härter auftritt.
Versuch, die Wogen zu glätten
Der wichtigste sunnitische Poilitiker Libanons und saudische Verbündete, Saad al Hariri, versuchte heute gleichwohl die Wogen zu glätten. Er werde weiterhin mit der Hisbollah reden, um den konfessionellen Konflikt abzuwenden.
Auch Hassan Nasrallah, der Chef der Hisbollah, betonte, seine Bewegung sei weiter offen für einen Dialog. Wo Saudi-Arabien iranisches Vormachtstreben sieht, stellt Nasrallah das Engagement der Hisbollah in Syrien als gerechten Kampf dar gegen sunnitischen Fanatismus.
Hisbollah profitiert von Assad
Doch klar ist auch, die Hisbollah hat ein strategisches Interesse daran, dass der iran-freundliche Assad in Syrien an der Macht bleibt. Das sichert der Hisbollah die Nachschublinien zu ihrem Sponsor Iran.
Nasrallah sprach zwar von Dialog, kritisierte Saudi-Arabien aber gleichzeitig scharf. Er beschuldigte die Golfmonarchie, für einige der jüngsten dschihadistischen Terroranschläge in Libanon verantwortlich gewesen zu sein. Zur Entspannung dürfte das kaum beitragen.