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Beziehung Türkei-Europa «Ihr habt euch der Menschheit gegenüber nie ehrlich verhalten»

Nach dem Votum des EU-Parlaments, Gespräche über einen türkischen EU-Beitritt auf Eis zu legen, schiesst der türkische Präsident aus allen Rohren: Er will wieder Flüchtlinge nach Europa reisen lassen, sofern die EU-Politiker noch weitergehen. Und er wirft der Union Unaufrichtigkeit vor.

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach der Empfehlung des EU-Parlaments, die EU-Beitrittsgespräche einzufrieren, droht Präsident Recep Tayyip Erdogan, die Landesgrenzen für Flüchtlinge zu öffnen.
  • Ein im März geschlossener Flüchtlingspakt zwischen der Türkei und der EU steht damit auf der Kippe. Berlin hat bereits durchblicken lassen, dass Deutschland trotz der Drohung an der Fortsetzung des Flüchtlingsabkommens festhält.
  • Die EU-Empfehlung geisselt Erdogan als «leere Drohung». Und er wirft der Europäischen Union vor, nicht aufrichtig zu sein.
  • Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei trübt sich seit dem Umsturzversuch zusehends. Verschiedene Ankündigungen und politische Aktionen Erdogans verschärfen das Problem.

Wenn die EU noch weitergehe, sprich, wenn es die Empfehlung des Parlaments umsetze, werde er Flüchtlinge nach Europa lassen. «Passt auf, wenn Ihr noch weitergeht, dann werden diese Grenzübergänge geöffnet. Lasst Euch das gesagt sein.» Diese Drohung hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Rede vor einer Frauenorganisation in Istanbul ausgestossen.

Video
Erdogan droht die Grenzen zu öffnen
Aus Tagesschau vom 25.11.2016.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 21 Sekunden.

Deutschland hat umgehend auf Erdogans Drohung reagiert. Das Auswärtige Amt liess durch eine Sprecherin mitteilen, die deutsche Bundesregierung habe nach wie vor Interesse an einer engen Zusammenarbeit mit der Türkei. Noch konkreter wurde die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Deutschland wolle am Flüchtlingspakt festhalten, sagte sie. «Die EU-Türkei-Vereinbarung betrachten wir als gemeinsamen Erfolg.» – Drohung hin oder her.

Schwierige Gespräche

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Die 2005 begonnenen Beitrittsgespräche zwischen der EU und der Türkei stecken schon länger in einer Sackgasse. Erdogan hat für kommendes Jahr ein Referendum in seinem Land darüber in Aussicht gestellt, ob die Verhandlungen mit der EU fortgesetzt werden sollen.

Eine Drohung, die Erdogan durchaus wahrmachen könnte. Die Türkei hat rund drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Darüber hinaus ist es eines der Hauptdurchgangsländer für Migranten aus Asien und Afrika nach Europa. Schon in der Vergangenheit hatte die türkische Führung den EU-Staaten mit dem Thema Flüchtlinge gedroht, unter anderem mit der Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens mit der EU. Und auch dieses Mal lässt es Erdogan an Deutlichkeit nicht mangeln.

Zu der EU-Entscheidung sagte Erdogan, er halte nichts von «leeren Drohungen». Bereits vor der Abstimmung hatte der Präsident erklärt, dass er sie für wertlos halte. Zugleich warf er der EU vor, nicht aufrichtig zu sein: «Ihr habt euch der Menschheit gegenüber nie ehrlich verhalten», sagte er.

Ein im März geschlossener Flüchtlingspakt zwischen der Türkei und der EU sieht unter anderem vor, dass die EU alle Flüchtlinge, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann.

Im Gegenzug hat die EU unter anderem zugesagt, nach Erfüllung von 72 Voraussetzungen die Visumpflicht für türkische Staatsbürger aufzuheben. Vor allem eines der Kriterien, die Reformierung der Terrorgesetze, ist ein Streitpunkt zwischen Ankara und Brüssel. Die Türkei weigert sich, diese anzupassen.

Am Donnerstag hatte das Europaparlament nun seine Konsequenzen gezogen. Es empfahl, die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei einzufrieren. Das Parlament begründete diesen Schritt mit den «unverhältnismässigen Repressionen», die seit dem gescheiterten Militärputsch Mitte Juli in der Türkei gegen Regierungsgegner ergriffen worden seien.

Nach dem Umsturzversuch wurden schon mehr als 125'000 Staatsbedienstete Entlassen, mehrere Tausend wurden festgenommen. Nach Medienangaben wurden über 36'000 Menschen in der Türkei in Untersuchungshaft genommen. Unter den entlassenen sind Soldaten, Polizisten und Richter. Auch Journalisten und Akademiker sind ins Visier der Behörden geraten.

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