Erst letzte Woche revidierte das britische statistische Amt seine Schätzung, wie viele Arbeitnehmer auf Abruf beschäftigt seien: Die Zahl der so genannten Null-Stunden-Verträge, bei denen die Arbeitszeit von Tag zu Tag oder von Woche zu Woche neu festgelegt wird, liege bei 250’000 und nicht, wie bisher angenommen, bei 200’000.
Doch eine umfangreiche Firmenbefragung durch den Verein der Personalchefs, das «Chartered Institute of Personnel and Development», hat die Zahl nun vervierfacht: Eine Million britische Arbeitnehmer lebten von der Hand in den Mund, also rund vier Prozent aller Beschäftigten.
Das Vereinigte Königreich rühmt sich eines besonders flexiblen Arbeitsmarktes. Der Kündigungsschutz ist beispielsweise weniger bindend als in anderen europäischen Ländern.
Gewerkschaften sind alarmiert
Doch der Abbau der Arbeitnehmer-Rechte in der Krise hat nun die Gewerkschaften auf den Plan gerufen. Sie befürchten, dass die willkürliche Zuteilung von Arbeit nicht bloss der Kostensenkung diene, sondern auch der Disziplinierung der Arbeitnehmer: Die Vergabe von Arbeit wird zum Gunstbeweis für besonders gefügige Beschäftigte.
Manche Betriebe benutzen die flexiblen Arbeitsverträge sparsam zum Spitzenausgleich. Andere haben die Ausnahme zur Methode gemacht: Die Sportartikel-Kette «Sport Direct» beschäftigt 20’000 von 23’000 Mitarbeitern ohne garantierte Arbeitszeit.
Kein Lohn bei Krankheit und Ferien
Die Mehrheit des Personals in zwei grossen Ketten von Kneipen weiss nicht, wie viel am Ende des Monats in der Lohntüte ist. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall entfällt ganz; Feriengeld ist eher selten.
Dabei bleibt die Dunkelziffer hoch: Die von den Sparmassnahmen der Zentralregierung besonders hart getroffenen Städte und Gemeinden haben zahlreiche Dienstleistungen an Privatfirmen ausgelagert. So arbeiten Krankenpfleger oder Schulbetreuer oftmals ebenfalls mit Nullstunden-Verträgen – ohne Netz, ohne Garantien. Die Regierung hat nun eine Überprüfung der immer geläufiger werdenden Praxis angekündigt.