Das Wichtigste in Kürze
- Das westafrikanische Land Ghana hat einen wachsenden Strombedarf.
- Aufgrund ausbleibender Niederschläge liefert die Wasserkraft zu wenig Strom.
- Die Regierung in der Hauptstadt Accra investiert in die Forschung für Atomreaktoren.
- Die UNO-Umweltagentur sieht in Ghana Potential für Erdwärme, Wind- und Sonnenenergie.
Auf der elektrischen Bandsäge schläft ein Huhn und muss nicht um sein Leben fürchten. Die Deckenventilatoren, die ein bisschen Abhilfe gegen die brütende Hitze verschaffen sollten, sind stumm. Schreiner David Puptampu und seine Kollegen sitzen am Boden um ein Brettspiel. Seit Stunden gibt es im Städtchen Kwabenya, eine Autostunde von der ghanaischen Hauptstadt Accra entfernt, keinen Strom.
Die Ghanaer sind frustriert. Die Stromversorgung ist unzuverlässig, die Geschäfte leiden, die Preise steigen. Und das, obwohl der Staudamm, der das Stromnetz speist, nur gerade 100 Kilometer von Kwabenya entfernt ist.
Strombedarf zu gross
Der Akosombo-Damm staut den Volta-Fluss in Ghana zum flächenmässig grössten Stausee der Welt. Doch immer häufiger bleiben Regenfälle aus und füllen ihn nur noch teilweise. Das Kraftwerk kann den stetig steigenden Strombedarf der wachsenden Bevölkerung längst nicht mehr decken.
Abhilfe schaffen soll ein Atomkraftwerk: Bereits 1961 träumte der erste ghanaische Präsident Kwame Nkruma von dieser Energieversorgung, ein russischer Versuchsreaktor war sogar bereits unterwegs. Als der Präsident gestürzt wurde, musste die Fracht auf hoher See aber kehrt machen.
Kein Grund zur Sorge
Jetzt ist es Professor Benjamin Nyarko, der Ghana die Kernenergie bringen will: Seit einigen Jahren betreiben er und seine Wissenschaftler einen chinesischen 30 Kilowatt Mini-Versuchsreaktor. Grund zur Sorge gebe es keinen, beteuert der Direktor der «Ghana Atomic Energy Commission»: «Die Kernenergie ist sicher. In den Kohlengruben sterben mehr Menschen als in Kernkraftwerken.»
Die jetzige Stromversorgung sei inakzeptabel, sagt Nyarko: «Wir benötigen viel Energie, um unser Land zu industrialisieren, und wir können dabei nicht auf alle Befindlichkeiten Rücksicht nehmen.» Ein Punkt, auf den der Wissenschaftler aber Rücksicht nehmen will, ist der CO2-Ausstoss. Ein weiterer Punkt, der für die Atomenergie spreche: «Wenn wir so weitermachen, steigt der Meeresspiegel derart, dass Ghana im Atlantik versinkt. Wissenschaftlich sind das die wahren Probleme und nicht die vermeintliche Strahlung eines Kernkraftwerks.»
Wir können nicht auf alle Befindlichkeiten Rücksicht nehmen.
Unterstützung erhält er vom Nuklearphysiker Godsway Banini. Auch er glaubt, dass die Kernenergie Ghana vorwärts bringen wird. Und dass es vorwärts gehen muss: «Mit Wasserkraft allein können wir das Land nicht mit genügend Strom versorgen.»
In den Korridoren des Forschungsinstituts von Nyarko lassen sich Studenten aus ganz Afrika in Nuklearphysik ausbilden. Und obwohl die UNO-Umweltagentur immer wieder betont, dass Afrika über ein fast unerschöpfliches Potential an erneuerbaren Energien wie Wind, Erdwärme oder Sonne verfügt, setzt das Institut auf die Kernkraft.
Aus Fehlern lernen
«Wir haben das Recht, unseren eigenen Weg zu gehen», sagt eine der Nuklearphysikerinnen. Die Zeiten seien vorbei, als man sich von Kolonialherren habe vorschreiben lassen, was für Afrika gut sei.
Aber nicht alle teilen die Euphorie der Nuklearphysiker. Rafik Mahama, ein Apotheker in Kwabenya, sorgt sich um die Entwicklung seines Landes: «Warum soll mein Land, ein Drittweltland ohne jegliche Erfahrung im Umgang mit der Kernenergie, ein Atomkraftwerk bauen?» Für ihn sind die Warnrufe aus Europa nicht Befehle der ehemaligen Kolonialmächte: «Weshalb einen Weg gehen, auf dem sich bereits jemand verbrannt hat?»