Die Kämpfer des IS sind für ihre Gräueltaten berüchtigt. Aber nun sollen sie scheinbar auch noch chemischen Waffen eingesetzt haben. Dies verlautete aus Kreisen der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW). Es handelt sich demnach um den ersten bestätigten Einsatz von Senfgas in Syrien. Die Nachrichtenagentur Reuters erhielt Einsicht in die Zusammenfassung eines vertraulichen Berichts der OPCW zu Kämpfen am 21. August in Marea nördlich von Aleppo.
Darin hiess es, «mit äusserster Sicherheit» seien mindestens zwei Menschen Senfgas ausgesetzt gewesen. Es sei zudem «sehr wahrscheinlich», dass ein Baby an den Folgen gestorben sei. In dem Bericht vom 29. Oktober wird der IS nicht erwähnt und ihm auch keine Schuld zugewiesen. Aus Diplomatenkreisen erfuhr Reuters jedoch, dass es sich um ein Gefecht zwischen der Terrormiliz und anderen Rebellen handelte.
Eigentlich sollte die syrische Regierung ihre kompletten Chemie-Waffen-Bestände vor 18 Monaten zur Vernichtung ausgehändigt haben. Die Regierung von Präsident Baschar al-Assad stimmte der Zerstörung im September 2013 zu, nachdem Hunderte Menschen bei einem Saringas-Angriff nahe Damaskus ums Leben gekommen waren. Die letzte gemeldete Ladung wurde im Juni 2014 übertragen.
IS-Terrormiliz im Verdacht
Daher werfe der Bericht die Frage auf, woher das Senfgas stamme, sagte ein Insider. Entweder habe der IS «die Fähigkeit erlangt, es selbst herzustellen, oder es könnte aus einem heimlichen Lager stammen, das der IS erobert hat», sagte er. «Beide Möglichkeiten sind besorgniserregend.»
Der Bericht soll im Laufe des Monats UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon formell übergeben werden. Wegen der neuen Erkenntnisse sei zudem für den 23. November eine Sondersitzung des OPCW-Exekutivrates in Den Haag einberufen worden, erfuhr Reuters aus Kreisen der Organisation.
Der Bericht ist ein weiteres Indiz dafür, dass der sogenannte Islamische Staat im Irak und in Syrien Chemiewaffen erlangt hat und sie auch einsetzt.
Kurdische Behörden hatten vor einigen Tagen erklärt, dass die Islamisten im August im Nordirak Senfgas-Granaten gegen Peschmerga-Milizen eingesetzt hatten. Bluttests bei etwa 35 kurdischen Kämpfen hätten dies belegt.
Aus den Diplomatenkreisen verlautete, ein OPCW-Team sei in den Irak gereist, um die Vorwürfe zu prüfen. Mit einem Ergebnis sei bis Monatsende zu rechnen.
Mitglieder der OPCW sind die Vertragsstaaten der Chemiewaffenkonvention. Sie hat ihren Sitz in Den Haag in den Niederlanden und steht in besonderen vertraglichen Beziehungen zur UNO.