Womöglich geht das Kapitel Stephan Schmidheiny und Asbest weiter. Zwar sei das eine Strafverfahren mit dem gestrigen Urteil sicher abgeschlossen, so Italien-Korrespondent Massimo Agostinis.
Der Turiner Staatsanwalt Raffaele Guariniello prüfe aber eine neue Anklage: «Er hat bereits 231 Dossiers von verstorbenen Asbestopfern gesammelt.» Darunter seien auch solche aus Eternit-Werken in der Schweiz und Brasilien. Das werde vielleicht den internationalen Druck auf den ehemaligen Eternit-CEO erhöhen, meint der Korrespondent.
Neue Anklage denkbar – diesmal wegen Mord
Denkbar sei eine neue Anklage – diesmal wegen Tötung oder Mord statt wegen Auslösen eines Umweltdesasters. Laut eines italienischen Strafrechts-Experten habe der Staatsanwalt einen strategischen Fehler gemacht, als er den Prozess nicht aufgrund von Mord angestrengt habe, erklärt Agostinis. «Für Mord gelten in Italien ganz andere Fristen – vielleicht wäre dann die Verjährung nicht eingetreten.»
Der Staatsanwalt werde in den Schweizer Medien häufig als «eitler Pfau» dargestellt, dem es vor allem um sich selber gehe. «Das greift ein bisschen zu kurz», so Agostinis. Seit dem Zweiten Weltkrieg sei Italien von heimischen und ausländischen Industriellen als billiger Standort mit wenig behördlichen Auflagen zum Teil missbraucht worden. «Da sind unglaubliche Dinge zu Lasten der Arbeiter geschehen.»
Asbestverbot in Schweden bereits 1975
Dass Guariniello den Fall Schmidheiny/Eternit nun besonders verfolgt, könne ihm nicht verübelt werden, so Agistonis. «Wie so häufig in Italien versucht die Justiz, die Abwesenheit des politischen Italiens zu kompensieren.» Ausserdem glaube man in Italien nicht, dass Schmidheiny nicht schon gewusst habe, wie gefährlich die Asbestverarbeitung war.
Schmidheiny war zwischen 1976 und 1986 Mehrheitseigner der Firma Eternit. Doch bereits 1975 verbot Schweden als erstes Land der Welt das Asbest. Der Korrespondent in Rom erklärt: «Da hätten die Alarmglocken schrillen müssen, meint man in Italien.»