Es gehört zur Taktik von Silvio Berlusconi, der aktuellen Koalitionsregierung regelmässig mit dem Sturz zu drohen. Die heutige Regierung unter Enrico Letta ist nur dank seiner Unterstützung an der Macht. Auf diese Weise versucht Berlusconi, sein Wahlversprechen durchzudrücken. Es geht um die Abschaffung der höchst ungeliebten, aber notwendigen Immobiliensteuer.
Seit Anfang August ist noch ein neues Ziel hinzugekommen. Damals verurteilten die Richter Berlusconi definitiv wegen Steuerbetrugs. Diese Verurteilung hat aufgrund eines neuen Gesetzes zur Folge, dass Berlusconi sein Amt als Senator verliert. Den allerletzten Entscheid über sein Ausscheiden muss der Senat aber treffen. Kommende Woche dürfte die vorberatende Kommission genau das entscheiden. Denn in ihr, wie auch im Senat, haben die Vertreter der mitregierenden Linken, freien Linken plus die Vertreter der Anhänger von Beppe Grillo die klare Mehrheit. Sie haben mehrfach erklärt, Berlusconi aufs politische Altenteil schicken zu wollen.
Berlusconi will Senator bleiben
Berlusconi kennt die Kräfteverhältnisse. Er will seinen Rausschmiss verhindern. Deshalb drohen seine Vasallen im Parlament drohen, sofort zurückzutreten, sollte Berlusconi tatsächlich aus dem Senat geworfen werden.
Er hofft, dass sich die mit seiner Partei regierenden Linken besinnen und so den Sturz der Regierung verhindern. Besinnen sollten sie sich, so die Überlegungen von Berlusconi, weil sie derart zerstritten sind. Bei Neuwahlen würden sie herbe Verluste einfahren.
Kein Gnadenakt möglich
Mit seiner Drohung, die Regierung zu stürzen, will Berlusconi noch ein zweites Ziel erreichen. Er will Staatspräsident Giorgio Napolitano dazu zwingen, die von den Richtern gegen ihn verfügte Reststrafe wegen Steuerbetrugs von einem Jahr Sozialdienst per Gnadenakt abzuwenden. Napolitano hat aber schon durchblicken lassen, dass er dies gar nicht könne. Begnadigt wird nur, wer schon mehr als ein Mal rechtskräftig verurteilt wurde und wer Reue zeige. Beides trifft auf Berlusconi nicht zu.
Auch wenn die Chancen für Berlusconi schlecht stehen, mit seiner Drohkulisse etwas zu erreichen, hat er grösste Nervosität ausgelöst. Ministerpräsident Enrico Letta, eben noch bei den grossen Investoren in New York, wo er für das angebliche stabile Italien warb, steht mit abgesägten Hosen da. Vermutlich auch deshalb hat er zum ersten Mal gegenüber seinem Koalitionspartner Berlusconi klare Worte gewählt: Er werde noch vor dem Entscheid über Berlusconis Verbleib im Senat die Vertrauensfrage stellen. Er wolle doch sehen, ob die Parlamentarier von rechts nur wegen der persönlichen Probleme ihres Oberhirten die ganze Regierung nach Hause schickten.
Nun droht auch Napolitano
Staatspräsident Giorgio Napolitano liess zwei Botschaften verbreiten: Selbst wenn die Regierung stürze, würde er die Streithähne zu einer neuen Koalition zwingen. Bei Neuwahlen käme das gleiche Resultat heraus wie vor einem halben Jahr.
Anschliessend packte er noch seinen letzten Trumpf aus: Wenn die Regierung auseinanderbricht, könnte er zurücktreten und der Nation damit zeigen, wer dafür verantwortlich sei.
(fasc)