Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch will die Opposition in seine Regierung miteinbeziehen. Er hat den Oppositionsführern nach einem Krisentreffen Regierungsämter angeboten, wie Justizministerin Jelena Lukasch nach Angaben der Präsidialverwaltung in Kiew mitteilte.
Der Regierungskritiker und frühere Aussenminister Arseni Jazenjuk soll neuer Regierungschef werden. Klitschko könne dessen Stellvertreter werden. Bei Einverständnis der Opposition mit diesem Plan erkläre die bisherige Regierung von Ministerpräsident Nikolai Asarow ihren Rücktritt, hiess es aus der Präsidialverwaltung.
Opposition in verzwickter Lage
Laut SRF-Korrespondent Peter Gysling hat der ukrainische Präsident einen guten Schachzug gemacht. Denn wenn die beiden Oppositionellen in die Regierung einzögen, würden sie sich bei ihren Anhängern unglaubwürdig machen. Sagen sie dagegen nein, so kann Janukowitsch ihnen vorwerfen, keine Verantwortung übernehmen zu wollen.
Janukowitsch stellte auch eine Verfassungsänderung in Aussicht. Im Gespräch sei der Übergang zu einer parlamentarischen Präsidialrepublik. Bisher hat der Präsident in der Ukraine alle zentralen Machtbefugnisse in seiner Hand. Zudem schlug der Präsident seinem Gegner Klitschko ein Fernseh-Duell vor, bei dem alle strategischen Fragen des Landes erörtert werden sollen.
Klitschko appelliert an Justiz
In der ehemaligen Sowjetrepublik waren die über Wochen friedlichen Massenproteste zuletzt in Gewalt umgeschlagen. Dabei waren in den vergangenen Tagen mehrere Demonstranten ums Leben gekommen.
Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko bat Polizei und Justiz in einer Videobotschaft darum, sich nicht an Repressionen der prorussischen Führung gegen das eigene Volk zu beteiligen. In einem Clip, den seine Partei Udar (Schlag) in Kiew veröffentlichte, betonte er, die Behörden seien zum Schutz der Menschen da.
«Handeln Sie nach Berufsehre, Würde, Tapferkeit und Gewissen», forderte Klitschko die Demonstrierenden auf. Und weiter: «Führen Sie keine verbrecherischen Befehle aus und lassen Sie sich nicht zu ungerechten und illegalen Handlungen hinreissen.»
Schwenk Richtung Moskau sorgt für Spannungen
Auslöser der Proteste war die Ablehnung eines Partnerschaftsabkommens zwischen der Ukraine und der Europäischen Union durch Janukowitsch. Dieser will die frühere Sowjetrepublik stattdessen enger an Russland anbinden.
Präsident Viktor Janukowitsch, gegen den sich die Proteste richten, versprach am Freitag zwar, Einschnitte in die Versammlungsfreiheit zurückzunehmen und die Regierung umzubilden. Die Opposition fordert aber seinen Rücktritt und vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.
Ukrainische Machtprobe – die Akteure
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Bild 1 von 9. Viktor Janukowitsch ist seit 2010 Staatspräsident der Ukraine. Er betont stets, dass eine Anbindung an die EU gewünscht sei. Stattdessen bindet er sich vermehrt an Moskau. Mit Demonstrationen hat er keine guten Erfahrungen gemacht. 2004 war er bereits als Wahlsieger proklamiert, bis ihn die Proteste der «Orangenen Revolution» das Amt kosteten. Bildquelle: Reuters.
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Bild 2 von 9. Ministerpräsident Nikolai Asarow ist wie Staatspräsident Viktor Janukowitsch Mitglied der Partei der Regionen. Der Regierungschef wird von den Demonstranten für das Scheitern des EU-Abkommens auf dem Osteuropagipfel verantwortlich gemacht. Ein Misstrauensvotum gegen ihn im Parlament scheiterte jedoch. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 9. José Manuel Barroso steht als Vertreter der EU in dem Konflikt. Die EU hat mit der Ukraine Beitrittsverträge verhandelt, die Präsident Janukowitsch mit seiner pro-russischen Haltung torpediert hat. Barroso hat angeboten, im blutigen Machtkampf zu vermitteln. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 9. Russlands Präsident Wladimir Putin verfügt über einen erheblichen Einfluss auf die Politik der Ukraine. Denn: Die Ukraine ist abhängig von russischen Gaslieferungen. Moskau ist ausserdem Kiews wichtigster Handelspartner. Putin fürchtet durch eine Annäherung der Ukraine an die EU einen erheblichen Machtverlust. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 9. Auch die Weltmacht USA mit Präsident Barack Obama kann die Augen vor den Geschehnissen in der Ukraine nicht mehr verschliessen. Die Regierung Obamas hat Viktor Janukowitsch aufgefordert, die tödlichen Strassenschlachten zu beenden. Andernfalls drohen Sanktionen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 9. Boxweltmeister Vitali Klitschko ist Vorsitzender der Partei Ukrainische demokratische Allianz für Reformen. Er kritisiert den pro-russischen Kurs und fordert EU-Sanktionen gegen die Regierung Janukowitschs. Der 42-Jährige ist einer zentraler Redner der Opposition und gewinnt zunehmend an Einfluss. 2015 will er als Präsidentschaftskandidat antreten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 9. Die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko ist im Oktober 2011 zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Die Anklage stützte sich auf den Missbrauch öffentlicher Gelder und Amtsmissbrauch. In einem Schreiben fordert sie die Opposition zum Widerstand gegen die Regierung Janukowitschs auf. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 9. Arseni Jazenjuk ist Ex-Aussenminister und Mitglied in Timoschenkos Vaterlandspartei. Er gilt als einer der Oppositionsführer. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 9. Oleg Tiagnibok (links) ist Chef der rechtspopulistischen Swoboda-Partei (Freiheitspartei). Er gilt als einer der Oppositionsführer, der mit Vitali Klitschko (rechts) zwar zusammenspannt, aber andere Interessen vertritt. Die Freiheitspartei vertritt nach Meinung viele Beobachter auch rechtsextreme Positionen. Bildquelle: Keystone.