SRF-News: Eigentlich hätten die Gespräche schon anfangs Woche beginnen sollen, doch es waren nicht alle Konfliktparteien anwesend. Wer ist denn jetzt alles am Verhandlungstisch?
Fredy Gsteiger: Bereits seit Sonntag am Verhandlungstisch sind die Delegierten der Regierung, das heisst, des jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi. Noch unterwegs dorthin ist die Delegation der Huthi-Rebellen. Diese Verzögerung ist ein Protest dafür, dass die Waffenruhe, die eigentlich seit dem 10. April gelten sollte, nur begrenzt eingehalten wird: Immer wieder gab es vereinzelt Luftschläge, vor allem von Saudi-Arabien, das die Regierung von Hadi unterstützt.
Eines der kurzfristigen Ziele des Treffens ist ein dauerhafter Waffenstillstand. Ist das realistisch?
Die Chancen sind zumindest etwas grösser, als bei früheren Begegnungen. So hatte man zum Beispiel im vergangenen Dezember in der Schweiz in Magglingen bei beiden Parteien den Eindruck, dass sie immer noch an einen militärischen Sieg glauben. Inzwischen fand ein Sinneswandel statt. Die Huthis haben gemerkt, dass sie trotz Unterstützung jener jemenitischen Truppen, die immer noch loyal zum Ex-Präsidenten Ali Abdallah Saleh sind, nie das ganze Land erobern und auf Dauer kontrollieren können.
Saudi-Arabien dachte, der Militäreinsatz in Jemen sei eine kurze Sache.
Und Saudi-Arabien wirkt inzwischen kriegsmüde.
Ja. Die Saudis dachten zu Beginn ihres Engagements, dass es sich dabei um eine kurze Sache handle. Sie rechneten damit, rasch zu obsiegen und Hadi wieder an die Macht zu bringen. Das erweist sich aber nun als langwierig. Zudem kommen die Saudis international unter Druck. Schliesslich kommt sie die Operation finanziell extrem teuer zu stehen. In Zeiten des tiefen Erdölpreises spielt das für sie eine Rolle.
Jemen ist völlig zerrüttet. Wie könnte eine längerfristige Stabilisierung des Landes aussehen?
Nötig wären eine breit abgestützte Übergangsregierung, eine neue Verfassung und später auch Wahlen – alles Dinge, die eigentlich schon vor Jahren vorbereitet worden waren. Pläne dafür liegen in der Schublade. Wichtig ist vor allem aber eines: Jemen kann nicht wieder ein Zentralstaat werden, in dem alles von der Hauptstadt Sanaa aus gesteuert wird. Es braucht eine föderalistische Lösung, Minderheitsrechte müssen eingeführt und Rücksicht auf die sehr unterschiedlichen Befindlichkeiten in dem sehr heterogenen Land genommen werden.
Eine solche Lösung bräuchte viel gegenseitiges Entgegenkommen. Ist auf allen Seiten echte Bereitschaft spürbar?
Das ist die grosse Frage, die sich in den nächsten Tagen klären muss. Beobachter sagen, die Chancen stünden etwas besser. Das Problem ist aber, dass es im Land starke Kräfte gibt, die keine Einigung wollen: die Dschihadisten, das heisst Al-Kaida und der sogenannte «Islamische Staat» (IS). Sie profitieren davon, dass Jemen heute ein gescheiterter Staat ist.
Die Dschihadisten profitieren vom Konflikt in Jemen, sie wollen keinen Frieden.
Wäre eine Aufteilung des Landes nicht die bessere Option?
Es gibt viele Anhänger dieser Idee, vor allem liberale Kreise im Süden des Landes, in der Hafenstadt Aden. Sie möchten nicht wieder von Sanaa aus regiert werden. Es gibt aber auch starke Anhänger der Gegenthese, so zum Beispiel die Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman. Sie findet, es sei wichtig, dass der Jemen zusammenbleibe. Vor allem, weil eine Teilung viele Probleme, wie zum Beispiel den Islamismus, die extreme Armut und die ungleiche Verteilung des Reichtums – das Öl liegt im Süden –, auch nicht lösen würde.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.