SRF: Werden Sie in Ihrer Arbeit eingeschränkt?
Astrid Frevel: Journalistische Arbeit in Ägypten war nie einfach. Es gab nur graduelle Unterschiede. Seit dem Sturz Mursis herrscht zudem eine sehr negative Stimmung gegen Journalisten, insbesondere aus westlichen Ländern. Man wirft uns vor, wir würden die Situation nicht verstehen, weil wir den Putsch als solchen bezeichnet haben. Es ist tatsächlich praktisch unmöglich geworden, persönlich Muslimbrüder zu treffen, aber das ist schon seit vielen Monaten so.
Warum werden Journalisten von Al Dschasira nun von der Justiz als Unterstützer des Terrorismus gebrandmarkt?
Es ist eine politische Abrechnung: Hinter dem Fernsehsender Al Dschasira steht das Emirat Katar. Katar unterstützt noch immer die Muslimbrüder. Einige der Führungsfiguren sind sogar nach Doha geflüchtet. Aus diesem Grund wirft man nun den ägyptischen Mitarbeitern des Senders vor, sie seien Mitglieder einer terroristischen Organisation, und die Ausländer hätten ihnen geholfen.
Ist das Willkür?
Reine Willkür. Einer der Vorwürfe lautet etwa, dem ägyptischen Ansehen im Ausland geschadet zu haben. Mit solchen Floskeln kann man jede journalistische Tätigkeit unterbinden.
Sind die Medien in Ägypten gleichgeschaltet? Wie reagiert die Bevölkerung darauf?
Die Bevölkerung steht im Moment praktisch zu 100 Prozent hinter den Medien und zwar nicht unbedingt auf Druck von oben. Nach dem Sturz Mursis hat sich das so ergeben. Die meisten Medien sind von einem Tag auf den andern umgeschwenkt, gleich wie sie sich ein Jahr zuvor hinter Mursi gestellt hatten. Es gibt in Ägypten keine Tradition von unabhängigem Journalismus. Alle Medien sind irgendwelchen Interessen zuzuordnen. Also die Vorstellung, dass ein Journalist einfach informiert, oder allenfalls analysiert, gibt es hier nicht. Man macht entweder Propaganda oder eine Negativkampagne.
Ägypten hat keine freie Presse und steht davor, einen General zum Präsidenten zu wählen. Kehrt das Land zurück zu Mubaraks Zeiten, und das freiwillig?
Ja. Es sieht im Moment so aus, als ob die Mehrheit der Bevölkerung einfach Stabilität will und dafür auch mehr Repression in Kauf nimmt. Es ist ja so, dass alle kritischen Stimmen, die mehr Freiheiten und Menschenrechte fordern, unterdrückt werden, nicht nur die Muslimbrüder.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.