Die Frau mit dem weissen Gesicht und rot geschminkten Lippen reibt sich nervös die Hände. Sie sitzt auf einer Bank an einer Universität in Kalifornien. Es ist ihr erstes Interview. «Ich habe momentan grosse Angst, papierlos zu sein. Menschen wie ich werden verfolgt», sagt sie.
Sie ist Ende 30 und Julieta ist nicht ihr richtiger Name. Vor zehn Jahren reiste sie aus Mexiko mit einem Touristenvisum in die USA und kehrte nie mehr zurück. Sie hat als Putzfrau, Tellerwäscherin und Kindermädchen gearbeitet. Momentan studiert sie und ist Hilfsköchin in einem Restaurant.
«Ich habe meine Eltern seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Mein Vater hatte eine Beinamputation, und ich konnte nicht bei ihm sein. Sie brauchen das Geld, das ich ihnen schicke», sagt sie. Es sei ein grosses Opfer, das sie bringe, aber das sei in Ordnung.
Schattendasein
Julieta lebt anonym und nennt auch sonst ihren wahren Namen fast nie. Trotzdem ist sie ziemlich sicher, dass die Behörden sie finden können. Denn sie hat stets Steuern bezahlt und dafür eine Identifikationsnummer erhalten. Eine Sozialversicherungsnummer, wie sie legal in den USA lebende Menschen bekommen, hat sie nicht. «Ich will Steuern bezahlen und zur Gesellschaft beitragen», betont sie.
Die Mexikanerin lebt tagtäglich mit dem Risiko, aufzufliegen: «Ich habe Angst, hier an der Universität verhaftet zu werden. Ich weiss, dass das auch unter Obama eine Gefahr war, aber jetzt ist diese umso grösser.»
Unsicherheit für Millionen
Präsident Barak Obama schaffte über zweieinhalb Millionen Illegale aus, mehr als alle seine Vorgänger. Gleichzeitig gab er aber jenen, die als Kind ins Land gebracht worden waren, eine provisorische Aufenthaltsbewilligung. Was mit diesen rund vier Millionen Betroffenen nun unter Trump geschehen wird, ist unklar.
Trotz der grossen Unsicherheit will Julieta in den USA bleiben. Hier habe sie mehr Möglichkeiten als in Mexiko, erzählt sie. Sie möchte nach dem Studium eine Firma gründen und selbständige Unternehmerin sein. Damit hofft sie, auch ohne Papiere in den USA überleben zu können.
Das ist der einzige Weg: Hier bleiben, in Sicherheit leben und versuchen, nicht ausgeschafft zu werden.
Julieta gewährt das Interview, weil sie es wichtig findet, dass Menschen wie sie aus dem Schatten treten. Sie ist eine von rund elf Millionen Papierlosen, die in den USA leben und arbeiten. Nun sind sie mit Trumps Plänen für eine spezielle Ausschaffungstruppe konfrontiert. Für den Notfall hat Julieta vorgesorgt: «Freunde haben mir versprochen, mich im Estrich zu verstecken.» Sie seufzt. Eigentlich hätte sie andere Pläne.