«Wir können es nicht nur den direkt betroffenen EU-Staaten überlassen, die Flüchtlinge neu anzusiedeln», betonte Jean-Claude Juncker. Es gehe um Solidarität. Die EU-Kommission werde deshalb am 13. Mai ein System zur Neuansiedlung der Flüchtlinge in der Europäischen Union zur Sprache bringen.
Der EU-Kommissionschef verlangte zugleich neue EU-Regeln für die legale Zuwanderung. «Wir dürfen nicht überrascht sein, dass die Unglücklichen der Welt uns die Türen einrennen und durchs Fenster kommen. Man muss die Türen öffnen. Die legale Migration muss mittelfristig ein Thema werden.»
Gipfelbeschlüsse «unzureichend»
Der Kommissionschef sagte voraus, dass die öffentliche Meinung zu Flüchtlingsfragen in sechs Monaten wieder umschwenken werde. Er wolle, dass alle zu dem Quotensystem stehen, selbst wenn sich die öffentliche Meinung wieder dreht. Die Beschlüsse des jüngsten EU-Flüchtlingsgipfels bezeichnete Juncker als «nicht ausreichend».
EU-Ratspräsident Donald Tusk verteidigte hingegen die EU-Gipfelbeschlüsse und kündigte an, dass sich der nächste EU-Gipfel im Juni mit Fortschritten befassen werde. «Der beste Weg, Menschen vor dem Ertrinken auf hoher See zu schützen, ist sicherzustellen, dass sie gar nicht auf die Schiffe kommen. Fast keine der Migranten stammen aus Libyen», sagte Tusk. Die EU wolle Libyens Nachbarländern helfen, die Landgrenzen und die Reiserouten zu überwachen.
«Es war ein grosser Fehler, ‹Mare Nostrum› abgestellt zu haben»
Durch die Verdreifachung der EU-Mittel für die Mittelmeer-Grenzschutzprogramme «Triton» und «Poseidon» korrigiere die EU einen Fehler, sagte Juncker. «Es war ein grosser Fehler, die Mission ‹Mare Nostrum› abgestellt zu haben. Das hat Menschenleben gekostet.» Es sei aber «nicht normal», dass man die Finanzierung der Seenotrettungsmission «Mare Nostrum» nur Italien überlassen hatte.
Juncker betonte, es stimme nicht, dass das Mandat von «Triton» sich auf Rettungsmassnahmen in den Territorialgewässern der EU-Staaten beschränke. Das Mandat der Operation sei breiter gefasst und müsse nicht ausgeweitet werden. «Triton» könne auch in internationale Gewässer eingreifen.
«Es reicht nicht aus, die Symptome der Krise zu bekämpfen», sagte Juncker. Die EU-Staaten müssten ihre Entwicklungshilfe aufstocken, «das ist absolut nötig».
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Bild 1 von 19. Seit der Jahrtausendwende spitzt sich die Lage auf dem Mittelmeer zu. 2003 werden auf der italienischen Insel Lampedusa 8000 Bootsflüchtlinge wie dieser völlig entkräftete Mann aus Afrika registriert. Bildquelle: Reuters.
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Bild 2 von 19. Bereits damals kommt es auf der Überfahrt immer wieder zu tödlichen Unfällen. Im Oktober 2003 wird in Rom 13 Somaliern gedacht, die vor Lampedusa ertrunken sind. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 19. 2004 sind es bereits 13'000 Flüchtlinge, die übers Mittelmeer nach Italien gelangen und dort registriert werden. Bildquelle: Reuters.
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Bild 4 von 19. Bereits ein Jahr später werden allein auf Lampedusa über 20'000 Bootsflüchtlinge gezählt. An manchen Tagen erreichen Hunderte auf einmal die Insel. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 19. Italien ist von der grossen Zahl der Flüchtlinge zunehmend überfordert. 2009 brechen die Flüchtlinge das Tor eines Lagers auf Lampedusa auf, um gegen die Zustände dort zu protestieren. Im auf 850 Menschen ausgelegten Lager leben rund 1800 Flüchtlinge. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 19. Im Sommer 2013 gilt die erste Reise des neu gewählten Papstes Franziskus den Flüchtlingen auf Lampedusa. Beim Besuch geisselt er eine «Globalisierung der Gleichgültigkeit»... Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 19. ... spricht mit Flüchtlingen, die die Überfahrt aus Nordafrika überlebt haben... Bildquelle: Reuters.
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Bild 8 von 19. und gedenkt der Toten. Bildquelle: Reuters.
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Bild 9 von 19. 2011 spitzt sich die Lage weiter zu. Aufgrund der Unruhen im Zuge des Arabischen Frühlings kommen immer mehr Flüchtlinge in Italien an. Das Sterben im Mittelmeer geht weiter. Italien fühlt sich von Europa allein gelassen, die Regierung Berlusconi erklärt den «humanitären Notstand». Bildquelle: Reuters.
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Bild 10 von 19. Eine der bis dahin grössten Flüchtlingstragödien auf dem Mittelmeer spielt sich im Oktober 2013 ab. Ein Schiff mit 545 Flüchtlingen aus Somalia und Eritrea an Bord sinkt, nachdem das Feuer eines Notsignals ausser Kontrolle geraten ist. Lediglich 155 Menschen werden gerettet. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 19. Angesichts des nicht abreissenden Flüchtlingsstroms und der vielen Toten startet Italien im Oktober 2013 das Rettungsprogramm «Mare nostrum». Bildquelle: Reuters.
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Bild 12 von 19. Marine, Küstenwache und Luftwaffe sollen Flüchtlingsboote zwischen der afrikanischen Küste und Italien aufspüren und in einen sicheren Hafen geleiten sowie Schlepper verhaften. «Mare nostrum» kostet Italien 9,5 Millionen Euro – pro Monat. Das Programm ist aber erfolgreich. Laut Rechnungen der «NZZ» sterben noch 4 von 1000 Bootsflüchtlingen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 19. 2014 kommen laut dem UNHCR 170'000 Flüchtlinge in Italien an. Vom Ansturm überfordert, gibt Italien die systematische Erfassung der Ankommenden auf, was diesen die Weiterreise in andere europäische Länder erleichtert. Bildquelle: Reuters.
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Bild 14 von 19. Italien beendet «Mare nostrum» 2014 nach nur einem Jahr. Europäische Politiker hatten kritisiert, das Programm habe als «Tor zu Europa» eine Sogwirkung entwickelt. Die Nachfolgemission «Triton» kostet Italien noch einen Drittel und beschränkt sich hauptsächlich auf die Grenzsicherung. Die Zahl der Flüchtlinge steigt dennoch weiter. Bildquelle: Keystone.
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Bild 15 von 19. 23'000 Flüchtlinge sind laut UNHCR dieses Jahr bereits übers Mittelmeer nach Europa gelangt. Die Hilferufe Italiens verhallen bei den europäischen Partnern dennoch lange ungehört. Bildquelle: Reuters.
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Bild 16 von 19. Rund 3500 Flüchtlinge sind laut UNO-Schätzungen allein 2014 auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken. Heuer ist es mit bisher rund 1600 Todesopfern jeder 50. Flüchtling, der die Fahrt übers Mittelmeer nicht überlebt. Unter den Toten sind auch viele Kinder und Minderjährige, wie hier auf Malta. Bildquelle: Reuters.
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Bild 17 von 19. Die Hilferufe Italiens und der Flüchtlinge finden im restlichen Europa erst Gehör, nachdem beim Unglück von Mitte April rund 850 Menschen im Mittelmeer ertrinken. Am 23. April treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel. Dort soll ein Zehnpunkteplan der EU-Kommission verabschiedet werden. Bildquelle: Reuters.
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Bild 18 von 19. Unter steigendem öffentlichem Druck soll der EU-Gipfel unter anderem die Wiederaufnahme der aktiven Seerettung beschliessen. Ausserdem sind die Beschlagnahmung und Zerstörung von Schlepperbooten sowie ein neuer Schlüssel für die Verteilung der Flüchtlinge in Europa geplant ... Bildquelle: Keystone.
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Bild 19 von 19. ... derweil warten in Libyen laut Schätzungen der EU noch rund eine Million Flüchtlinge auf die Überfahrt nach Europa. Bildquelle: Reuters.