SRF News: Die Kriegsbemühungen der USA gegen den IS in Syrien und im Irak dauern nun schon zehn Monate. Was hat Präsident Obama seither erreicht?
Florian Böller: Ziel von Obama war es, den Vormarsch des IS zu stoppen. Das ist teilweise gelungen. Mit der Unterstützung der Kurden ist die Rückeroberung von Kobane geglückt, was einen zumindest symbolischen Erfolg darstellt. Dass der IS hingegen die Stadt Ramadi unter seine Kontrolle bringen konnte, zeigt, dass die Terrormiliz weiterhin in der Lage ist, offensive Operationen durchzuführen. In dieser Hinsicht waren optimistische Prognosen der Obama-Administration über eine entscheidende Schwächung des IS zu Beginn des Jahres verfrüht.
Wie ist die durchzogene Bilanz zu erklären?
Zum einen ist sie das Resultat von der Zielsetzung der Administration, die «Irak first» lautet. Diese Devise wird indes von Obamas Gegnern im Lager der Republikaner dahingehend kritisiert, dass er Syrien vernachlässige und so das Problem nicht an der Wurzel anpacke.
Zum anderen?
Zum anderen ist die durchzogene Bilanz ein Effekt der innenpolitischen Bedingungen, unter denen Obama Krieg führt. Vor dem Hintergrund einer weiterhin vorhandenen Kriegsmüdigkeit der amerikanischen Öffentlichkeit und der kritischen Haltung des Kongresses hat er den Einsatz von Bodentruppen ausgeschlossen.
Manch ein Beobachter behauptet, dass Obamas Regierung den IS nicht wirklich zerstören, sondern nur in Schranken halten wolle. Aus dem nachvollziehbaren Grund, dass eine Ausmerzung des IS in erster Linie dem Assad-Regime und den von Iran aus gesteuerten schiitischen Milizen nützen würde.
Assad nützt aus, dass Obama dem Irak, respektive dem IS, Priorität einräumt. Der syrische Machthaber profitiert indirekt von den Luftangriffen auf den IS, was ihm ermöglicht, sich auf die Niederschlagung der moderaten Kräfte der syrischen Rebellen zu konzentrieren. Gleichzeitig ist nicht von der Hand zu weisen, dass Obama zum Assad-Regime eine ambivalente Haltung hat. Wohl fordert die Administration ein Regimewechsel. Aber Obama sieht auch die Gefahr, die damit einherginge. In das entstehende Machtvakuum könnten islamistische Kräfte eintreten, oder schlimmer, der IS.
Wäre es denn nicht sinnvoll, wenn Obamas Regierung die moderaten Rebellen in Syrien mit dem gleichen Effort wie die Kuren in Irak unterstützte? So wäre der US-Regierung gegen Assad und gegen den IS geholfen.
Die Unterstützung der Kurden im Irak ist für Obama mit weniger Risiko verbunden. Denn im Gegensatz zu den moderaten Rebellen sind die Kurden als Gruppe besser abzugrenzen. Und während die Kurden einen starken Rückhalt im Nordirak haben, ist die syrische Opposition weniger etabliert, weil weniger berechenbar. Wer hier die Truppen anführt und mit welchem Ziel, ist schwierig zu erwägen.
Erachten Sie die internationale Allianz unter Federführung der USA grundsätzlich als das richtige Mittel gegen die Terrormiliz IS?
Ein Vorteil dieser US-geführten Allianz mit arabischen Staaten ist, dass Amerika nicht wie damals im Irak-Krieg als ein nur auf die eigenen Interessen bedachter Aggressor wahrgenommen wird. Stattdessen erscheint der Kriegseinsatz als gemeinsame Anstrengung der westlichen und arabischen Welt. Noch besser wäre ein Mandat vom UNO-Sicherheitsrat. Die Vetomächte China und Russland würden ein robustes Mandat jedoch kaum akzeptieren.
Gesetzt die Annahme, Obama täte gegen den IS das Richtige. Hat er wirklich den Frieden im Nahen Osten als hehres Ziel, oder geht es um wirtschaftliche Ressourcen, wie Öl?
Bei dieser Frage muss man bedenken, dass die USA die Abhängigkeit von Öl – nicht zuletzt durch das Fracking – in den vergangenen Jahren deutlich senken konnte. 2011 war Amerika zum ersten Mal Nettoexporteur von raffinerierten Ölprodukten.
Andererseits ist Obama wohl nicht auf Frieden im Nahen Osten als Selbstzweck aus, sondern handelt entlang der Sicherheitsinteressen der USA. Er will terroristischen Bedrohungen den Nährboden entziehen, um Anschläge auf das amerikanische «Homeland» wie am 11. September 2001 zu verhindern. Aber auch Israel – der wichtigste Verbündete in der Region – wollen die USA schützen. In der amerikanischen Debatte wird die Gefahr einer Ausbreitung des Konflikts auf Israel betont, sollten sich die USA aus dem Konflikt zurückziehen.
Das Gespräch führte Christine Scherrer (SRF 4 News, 7. Juli, 03:00 Uhr)
Europa blickt zwiespältig auf die US-Aussenpolitik
Die Kriegsbemühungen von den USA im Irak und in Syrien werden auch von Europa beobachtet. Florian Böller erkennt hier eine zwiespältige Haltung: Einerseits kritisieren die Europäer immer wieder die USA für ihre Weltmachtrolle und wollen in weltpolitischen Belangen ernster genommen werden. Andererseits begrüssen sie dann doch einen amerikanischen Einsatz, wenn eine Situation heikel ist. Gerade der Konflikt in Libyen hat gezeigt, dass Europa gar nicht in der Lage ist, einen solchen Krieg alleine zu führen. Die Debatte läuft nach Böller auch in der Nato. Hier ist man bemüht, ein Gegengewicht zu Russland aufzubauen. Aber namentlich die baltischen Staaten haben wenig Vertrauen in die europäischen Militärs und bauen auf die USA. Und selbst die Nationen, die einen diplomatischen Weg vor dem kriegerischen bevorzugen, müssen mit Blick auf den IS eingestehen: Dieser Terror ist ohne militärische Mittel kaum zu bekämpfen. |