SRF News: Wie sehr schaden diese Enthüllungen dem Islamischen Staat?
Peter Neumann: Die Akten sind ja schon etwas älter – von Ende 2013, Anfang 2014. Aber sie sind dennoch wichtig. Denn in vielen europäischen Staaten ist die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation ein Straftatbestand. Mit diesen Akten kann man das jetzt beweisen, es sind ja quasi Mitgliederbögen. Wenn diese einem Gericht vorgelegt werden und als authentisch anerkennt werden, dann ist das ein Beweis dafür, dass jemand tatsächlich Mitglied war.
Man hat das Gefühl, dass da ein professionelles Personal-Management betrieben wird. Hat Sie das überrascht, wie genau alles erfasst wird?
Ich war nicht überrascht. Denn der Vorgänger des Islamischen Staates, Al-Kaida im Irak, hat was Ähnliches gemacht. 2007 wurden schon ähnliche Bögen entdeckt, die auch ähnlich aufgebaut waren. Deswegen habe ich immer an die Authentizität geglaubt.
Man muss auch verstehen: Der IS sieht sich als Staat und die Kämpfer sind Teil der Armee. Und wenn man sich selbst als Staat begreift, und die Kämpfer als Armee, dann erfasst man die natürlich auch. Der Islamische Staat ist eben nicht nur eine Terror-Organisation. Er ist auch ein Protostaat – so sehr wir das gerne verneinen würden.
Was weiss man über den momentanen Nachschub an ausländischen Kämpfern?
Der ist deutlich zurückgegangen. Ein Höhepunkt war 2014, als das sogenannte Kalifat ausgerufen wurde. Da sind jeden Monat Hunderte aus Europa nach Syrien und in den Irak gegangen. Im letzten Jahr hat dies deutlich nachgelassen. In den meisten westeuropäischen Ländern gingen jeden Monat nur noch einzelne.
Das hat meiner Meinung nach auch damit zu tun, dass der Mythos so nicht mehr existiert und stimmt. 2014 war es noch so, dass der Islamische Staat den gesamten Nahen Osten überrannte. Momentan sieht der IS eher wie ein Verlierer aus.