Der Schauspieler und Komiker Jimmy Morales hat letzte Woche die erste Runde der Präsidentenwahl in Guatemala für sich entschieden. Der Kandidat der nationalistischen Partei FCN kam auf fast einen Viertel der Stimmen. Ende Oktober findet die Stichwahl zwischen Morales und der Sozialdemokratin Sandra Torres statt.
Dass Humoristen an die Macht gekommen sind, ist zumindest in Europa nichts Erstaunliches. Der isländische Komiker Jon Gnarr war von 2010 bis 2014 Bürgermeister in Reykjavik. Er schaffte das Kunststück, die isländische Hauptstadt nach den Krisenjahren wieder auf die Beine zu stellen. Weitere Vertreter des lustigen Fachs sind: «Beppe Grillo» und Martin Sonneborn.
Warum gelingt es Komikern, in die Politik zu steigen? Wer davon eine Ahnung haben muss, ist Viktor Giacobbo. Der Gastgeber von «Giacobbo/Müller» hat schon viele nahmhafte Politiker eingeladen.
SRF News: Herr Giacobbo: Warum haben Komiker wie Jimmy Morales so viel Erfolg in den Umfragen?
Viktor Giacobbo: Weil bei Komikern die verkrampfte Message nicht lautet «bitte wählt mich». Politiker, die ihre Message mit ein bisschen Entertainment vermitteln können, wirken gelassener. Beim amerikanischen Präsidenten Barack Obama kann man dies besonders gut beobachten.
Sind Komiker auch die besseren Rhetoriker?
Rhetorisch müssen sie schon aus professionellen Gründen besser sein. Zumindest besser als Johann Schneider-Ammann. Allerdings gibt es auch hier unter Komikern oder Satirikern Unterschiede: didaktische Belehrungen auf der Bühne kommen weniger gut an als eine sichtbare, subjektive Wut über herrschende Zustände.
Auch über die Syrien-Flüchtlinge?
Nun, da bin ich schon sehr erleichtert, dass es in der Schweiz keine rechtsextreme Kabarettisten gibt. Zumindest kenne ich keine.
Haben Sie schon einmal die Kabarettprogramme von Jimmy Morales, Beppe Grillo oder Jon Gnarr verfolgt?
Ich verfolge zwar deren Werdegang als Politiker, aber als Komiker kenne ich sie zuwenig. Wen ich aber kenne und sehr schätze ist Martin Sonneborn. Mit seinen Kamikaze-Einsätzen agiert er an dumpfen Orten in Deutschland, wo ich mich nicht wagen würde, hinzugehen.
Warum gab es in der Schweizer Politik eigentlich noch nie einen Komiker?
Das stimmt nicht. Denken Sie nur an den Kabarettisten Alfred Rasser, der 1967 für den Aargauer Landesring in den Nationalrat gewählt wurde. Dort politisierte er acht Jahre lang. Allerdings als Hinterbänkler. Rasser war während seiner beiden Amtsperioden ein «ganz normaler» Politiker, der sich im Parlament immer davor hütete, als Komiker zu wirken.
Sie haben in Ihrer Karriere immer wieder Schweizer Politiker eingeladen. Wer war am komischsten?
Ich werde Ihnen jetzt sicher keine Liste der lustigsten Politiker in der Schweiz durchgeben, denn das müssen sie auch nicht sein – jedenfalls nicht freiwillig! Punkten können jene am besten, die sowohl sich selber als der eigenen Partei gegenüber etwas Selbstironie zeigen. Das rate ich jeweils unseren Talkgästen vor der Sendung. Ausserdem: Sie sollen bitte keine Geschenke mitbringen. Auch keine lustigen.
Anders gefragt: Welche Politiker haben Ihnen gut Paroli geboten?
Alle, die gelassen und selbstbewusst in unsere Sendung kommen. Da sind die Alphatiere wie Tschäppät, Müller oder Brunner, die nichts mehr erschüttern kann. Aber manchmal eben auch überraschende wie beispielsweise der Solothurner Stadtpräsident und Nationalrat Kurt Fluri.
Flavio Maspoli war ein Ausnahmetalent.
An wen ich mich auch gerne erinnere, ist Flavio Maspoli. Der vor acht Jahren verstorbene Tessiner Politiker war ein Ausnahmetalent. In der Politik war er am rechten Rand der Lega dei Ticinesi. In Wien arbeitete er lange als Barpianist und konnte die Wiener Chansons aus dem Effeff spielen, was er damals auch in Viktors Spätprogramm tat.
Und was halten Sie vom SVP-Wahlvideo «Welcome to SVP»?
Das ist eine freche Einmischung einer Regierungspartei in die Sauglattismus-Branche unseres Landes! Es ist zu befürchten, dass andere Parteien nachziehen werden und schliesslich die verarmten Berufskomiker von der Sozialhilfe leben müssen!
Sendebezug: SRF 4 News 06:00 Uhr