Das in Frankreich zurzeit geltende Ausnahmerecht ermöglicht Hausdurchsuchungen ohne richterliche Genehmigung, Terrorverdächtige können ohne Richterentscheid unter Hausarrest gestellt werden.
Dem Ehrenpräsidenten der Liga für Menschenrechte, Henri Leclerc, ist es beim Gedanken an eine Verlängerung dieses Notrechts um drei Monate unwohl. Am französischen Radio France Inter erhob er warnend seine Stimme: «Notrecht für zwölf Tage, das erscheint mir möglich. Aber die Verlängerung auf drei Monate beunruhigt mich. Die Justiz ist die Garantin der Freiheit», sagt Leclerc und fügt an, dass diese Rolle der Justiz durch das Notrecht aufgehoben würde. Wichtige Kompetenzen würden der Polizei übertragen: «Ich möchte, dass die Leute verstehen, dass die Verlängerung des Notrechts auf drei Monate nicht nichts ist.»
Umstrittene Ausbürgerung von Terroristen
Noch mehr beunruhigt Henri Leclerc, dass François Hollande in einem zweiten Schritt eine Art Krisenartikel in die Verfassung schreiben will. Hollande will das Notrecht von der Gesetzes- auf die Verfassungsstufe anheben. In diesem neuen Verfassungsartikel soll dann die zeitliche Beschränkung des «Krisenzustands» aufgehoben oder aufgeweicht werden. Ob dies darauf hinausläuft, dass der Präsident einen unbefristeten Krisenzustand erklären kann, ist noch unklar.
Doch damit nicht genug. Hollande will bei der angekündigten Verfassungsreform auch die Möglichkeit erweitern, verurteilten Terroristen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Heute ist das nur bei eingebürgerten Franzosen möglich. Neu soll dies auch auf Bürger ausgeweitet werden, die von Geburt her Franzosen sind. Jedoch nur falls sie eine zweite Staatsbürgerschaft besitzen – denn es darf niemand staatenlos sein. Dschihadreisende, so heisst es aus dem Elysée, sollen weiter nur mit einem Visum nach Frankreich zurückkehren können, auch wenn sie den französischen Pass haben.
Grundrechte tangiert
Die Zeitung «Le Monde» zitierte den Verfassungsspezialisten Bastien François, der meint, die Reform stelle wichtige Grundrechte in Frage. Sie gehe in Richtung eines französischen «Patriot Act».
Damit hatten die Amerikaner nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wichtige Grundrechte aufgehoben Diese von Hollande vorangetriebene Verfassungsreform kommt im Eilzugstempo. Noch bevor der Notstand von drei Monaten ausläuft, welchen das Parlament in diesen Tagen beschliessen wird, soll diese Verfassungsreform in Kraft treten.
Der Ehrenpräsident der Liga für Menschenrechte bezweifelt, dass es klug ist, eine so weitgehende Verfassungsreform unter dem Eindruck der Terroranschläge übers Knie zu brechen: «Wenn wir unsere Freiheiten einschränken, dann haben die Terroristen gewonnen. Ich erlaube daran zu erinnern, dass es nicht das Ziel ist unsere Freiheit abzubauen, sondern die Freiheit zu schützen.» Doch Henri Leclerc ist sich im Klaren darüber, dass er im heutigen Klima ein einsamer Rufer in der Wüste ist.