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Menschen, die unter einem Baum warten. im Vordergrund Gepäckstücke.
Legende: Malis Islamisten tarnen sich als Zivilisten und mischen sich unter die Bevölkerung. Keystone

International Mali: Zivilisten als menschliche Schutzschilde?

Französische Luftangriffe sollen die Islamisten aus wichtigen Stützpunkten vertrieben haben. Diese bringen ihre Gefangenen nun aus der Wüste in die Städte, um sie als lebende Schutzschilder zu missbrauchen, erklärt SRF-Korrespondent Patrik Wülser in Bamako.

SRF-Korrespondent Patrik Wülser ist in der malischen Hauptstadt Bamako. Er verfolgt vor Ort die französische Intervention gegen die islamistischen Kämpfer im Norden des Landes.

Die Front ist etwa 300 Kilometer entfernt, was wissen Sie über die militärische Lage?

In den vergangenen Tagen soll Frankreich gegen 70 Angriffe in den Norden geflogen und die Islamisten aus strategisch wichtigen Stellungen vertrieben haben.

Am Boden sei wenig Aktivität zu sehen. Das hat damit zu tun, dass es sich um ein riesiges Wüstengebiet handelt. Es ist etwa so gross wie Frankreich und sehr unübersichtlich. Zudem gibt es keine klare Frontlinie in der Mitte des Landes. Sie ist durchlässig. So wurden sogar vor einigen Tagen in der Hauptstadt Bamako Islamisten verhaftet.

In Bamako geht offenbar die Furcht um, dass sich die islamistischen Kämpfer unerkannt unter die Bevölkerung mischen.

Das berichten Menschen aus dem besetzten Norden. Die Islamisten seien immer noch da, würden sich aber als Zivilisten kleiden und unter die Bevölkerung mischen. Zudem berichten sie: Die Gotteskrieger hätten ihre Gefangenen aus der Wüste in die Städte transportiert und teilweise in grossen Lagerhallen untergebracht. Im Falle einer Bodenoffensive wollen sie die Gefangenen wahrscheinlich als menschliche Schutzschilder missbrauchen. Das löst grosse Besorgnis in Bamako aus, weil viele Verwandte im Norden des Landes haben.

Wie verschaffen Sie sich ein Bild über die Lage im Norden?

Es sind Dutzende Journalisten, die von der malischen Armee über den Stand der Dinge informiert werden. Diese Informationen sind fast nicht zu überprüfen. Denn als Journalist kann man nicht selber in den Norden reisen. Die Gefahr einer Entführung durch Islamisten ist zu gross. Gute Quellen sind deshalb malische Bürgerinnen und Bürger in Bamako. Sie haben – wenn überhaupt noch möglich – telefonischen Kontakt mit ihren Familienangehörigen im Norden. Eine weitere Möglichkeit sind eigene Quellen hinter der Frontlinie.

Wie steht es um die Einsatzbereitschaft der Ecowas-Eingreiftruppe?

Erste Truppenkontingente dieser Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft sind bereits hier in Bamako eingetroffen. Doch die Interventionstruppe ist noch nicht operativ und noch nicht vollständig. In Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste, trafen sich die Kommandanten der Ecowas-Kontingente. Dort haben sie das weitere Vorgehen besprochen.

Käme eine Teilung des Landes in Frage?

Das kommt für die Malier überhaupt nicht in Frage. Das verletzt ihren nationalen Stolz. Man will das ganze Land, die Ganzheit des Territoriums. Es ist eigentlich hier wie überall auf dem ganzen Kontinent: Der Süden und der Norden bekämpfen sich. Dies ist beispielsweise auch in Nigeria der Fall. Dann ist es oft eine unzulässige Vereinfachung, zu sagen, man könnte das doch einfach trennen. Hier im Süden sind die Guten und im Norden die Bösen. Tatsache ist: Das Land ist miteinander verwoben. Viele Menschen im Süden haben Angehörige im Norden. Dort sind die Islamisten eine Minderheit, welche den Rest terrorisiert. Bewohner Bamakos haben mir gesagt: Die sagenumwobene und historisch wichtige Stadt Timbuktu – ein Wahrzeichen dieses Landes – überlässt man nicht einfach den Islamisten im Norden.

Gibt es Planspiele was mittelfristig geschehen soll?

Einerseits wird dieser Einsatz der Franzosen als Gratwanderung betrachtet – auch wenn man dafür dankbar ist: Über den Ausgang der Intervention ist man in Bamako geteilter Meinung. Es gibt Stimmen, die sagen: In zwei Wochen wird man Timbuktu zurückerobern. Andere gehen von Monaten aus. Aber es gibt Pläne. Die Weltgemeinschaft beschränkt sich nicht auf das Militär. Unterdessen sind in Bamako alle UNO-Unterorganisationen präsent. Offenbar soll es in den nächsten Tagen in Ouagadougou, in der Hauptstadt von Burkina Faso, zu Friedensgesprächen kommen. Das sagte mir eine unbestätigte Regierungsquelle.

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