Angela Merkels Aufstieg zum Polit-Popstar, zur Mutter der Nation mit eigenem Kosenamen, zieren zahlreiche Polit-Leichen. Der erste, der über die Klinge springen musste, war ausgerechnet Helmut Kohl. Ironie der Geschichte: Der Kanzler der Einheit hatte die scheinbar Unbedarfte einst in die ganz grosse Politik gehievt. Er machte sie zur Familienministerin, später folgte die Beförderung ins Umweltministerium.
Kohl hatte an Merkel einen Narren gefressen. Verstehen konnten das damals die wenigsten. Heute ist klar, dass Kohl weder aus christlicher Nächstenliebe handelte noch den innerdeutschen Proporz beachten wollte – vielmehr war er einer der Wenigen, der das Potenzial Merkels erkannte.
Doch auch Kohl unterschätzte Merkels Drang nach Macht. Im Zuge der Spendenaffäre 1999 forderte ausgerechnet sein Zögling, dass die CDU sich von ihm lösen müsste. Und tatsächlich, Kohl verlor seinen Posten als Ehrenvorsitzender und Merkel erbte kurz darauf auch noch den Parteivorsitz von Wolfgang Schäuble.
Für viele mag sie damals nur eine Notlösung gewesen sein – ein Platzhalter für ruhigere Zeiten. Wenn sich die Wogen geglättet haben würden, könnte wieder eine charismatischere Persönlichkeit an der Spitze stehen. So weit der Plan. Doch auch hier irrten sich viele.
Selbst als sie bei den Bundestagswahlen 2002 Edmund Stoiber von der CSU den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur gab, hielten das viele noch für ein Zeichen ihrer Schwäche. Rückblickend hatte Merkel damals hoch gepokert – und gewonnen. Denn Stoiber scheiterte, wenn auch nur hauchdünn, und so war der Weg für Merkel frei.
Nicht besser erging es Laurenz Meyer und Ruprecht Polenz. Beide waren unter Merkel Generalsekretäre der CDU. Der eine vier Jahre, der andere nur sieben Monate.
Ihr Parteikollege Friedrich Merz hatte sich zwar wesentlich länger in den Spitzengremien der Partei halten können, doch 2004 wurde auch er kaltgestellt. Sein Fehler: Der brillante Redner hatte nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 den CDU/CSU-Fraktionsvorsitz für sich beansprucht. Merkel aber wollte das nicht und Merz musste zurück ins zweite Glied. Dort vegetierte er noch für zwei Jahre vor sich hin, bevor er sich im Dezember 2004 verabschiedete. Seitdem sitzt er in diversen Aufsichts- und Verwaltungsräten, zum Beispiel bei der Stadler Rail.
Ein anderer Merkel-Gegner innerhalb der Partei wurde nach Brüssel abgeschoben. Günther Oettinger hatte in seiner Zeit als baden-württembergischer Ministerpräsident mehr als einmal gegen die Kanzlerin geschossen. Er bemängelte vor allem das fehlende konservative Profil der CDU. Auch wurden ihm Ambitionen für die Kanzlerschaft nachgesagt. Am Ende reichte es noch nicht einmal für einen Ministerposten. Oettinger wechselte 2010 in die Europapolitik und wurde EU-Energiekommissar.
Merkel duldete niemanden neben sich, der ihr auch nur in Ansätzen gefährlich werden könnte. Der nächste, der das schmerzhaft erfahren sollte, war Roland Koch. Der hessische Ministerpräsident hielt sich für kanzlertauglich. Doch Merkel sagte nein und verweigerte dem Hessen selbst den Wunschposten als Finanzminister. Daraufhin ging Koch 2010 entnervt in die Wirtschaft, wo er unter anderem bei der deutschen Tochter der UBS im Aufsichtsrat sitzt.
Christian Wulff hatte die Kanzlerin 2010 noch mit aller Macht ins Amt des Bundespräsidenten gedrückt. Doch als dieser wegen Hauskrediten und Gratisurlauben ins Zwielicht geriet, stärkte sie ihm nicht den Rücken. Im Gegenteil, sie liess ihn fallen. Im Februar 2012 war für Wulff Schluss. Dass er 2014 vom Vorwurf der Vorteilsnahme freigesprochen wurde, dürfte ihn wenig trösten.
Auch Stefan Mappus blieb 2011 auf der Strecke. Zwar wurde der baden-württembergische Ministerpräsident von den Bürgern des Bundeslandes abgewählt, aber Merkel tat nichts, um das politische Schwergewicht in der Politik zu halten. Der Grund ist simpel: Während Merkel die Partei für das städtische Milieu öffnen wollte und ein moderneres Familienbild eintrat, stand Mappus für die konservative Ausrichtung. So sehr, dass ein Kritiker einmal sagte: «Wäre die Erde eine Scheibe, würde Mappus wohl rechts runterfallen.»
Das vorerst letzte Opfer in der langen Reihe von Merkel-Gefallenen ist Norbert Röttgen. «Muttis Klügster», wie parteiinterne Neider Röttger spöttisch nannten, hatte die Wahlen im Bundesland Nordrhein-Westfalen verloren. Weil der Umweltminister in der Partei selbst nur wenig Rückhalt genoss – vielen war er zu progressiv beim Umweltschutz – liess Merkel den einstigen Hoffnungsträger im Mai 2012 abtreten.