Es bleibt nicht mehr viel Zeit zum Regieren, zum Reformieren, zum radikalen Gestalten: In weniger als zehn Monaten muss sich David Camerons Konservative Partei der Wahl stellen. Der Küchenwecker für den Wahlkampf tickt bereits, folglich sollte die Spitzenmannschaft etwas repräsentativer aussehen als das bisher der Fall war.
Fotogene Gesichter und EU-Kritiker
Weisshäutige, mittelalterliche und angegraute Männer aus Privatschulen und Eliteuniversitäten treten ins zweite Glied zurück. Ihre Plätze im Gruppenbild nehmen fotogene Mütter ein – mit Vorteil solche, die einen regionalen Akzent ans Mikrofon bringen.
Und doch ist die erste richtige Regierungsumbildung Camerons nach vier Jahren an der Macht aussagekräftig: Mit dem Veteranen Ken Clarke verlässt der letzte Konservative, der ein gutes Haar an der EU liess, das Kabinett. Mit Generalstaatsanwalt Dominik Grieve verstummt eine mässigende Stimme, die Cameron bisher daran hinderte, einen Hahnenkampf mit dem Strassburger Gerichtshof für Menschenrechte vom Zaun zu brechen. Und mit dem kantigen Michael Gove verliert die Regierung einen intellektuell brillanten Erziehungsminister.
Hague tritt ab – Hammond übernimmt
Der überraschende Rücktritt von William Hague als Aussenminister entfernt den einzigen Staatsmann aus der Frontlinie. Ungewöhnlicherweise vermag sich Hague ein Leben ausserhalb der Politik vorstellen; er kann Klavier spielen, geistreiche Reden halten und historische Bücher schreiben. Wer könnte ihm verargen, dass er derartigen Verlockungen nachgibt?
Sein Nachfolger als Aussenminister, Philip Hammond, kann sich den Austritt aus der EU sehr gut vorstellen. Zu diesem Grundton passt auch die Ernennung des bisher gänzlich unbekannten Jonathan Hill als nächster britischer EU-Kommissar. Der Euro-Skeptiker Hill organisierte bisher bloss die Tories im Oberhaus.
Kampfansage an EU-kritische Ukip
Der Umgangston mit den europäischen Partnern wird noch schroffer werden. Die frisch geföhnten Tories präsentieren sich als die wahren Patrioten. So wollen sie der bedrohlichen Herausforderung der schrillen United Kingdom Independence Party (Ukip)– sie hatte kürzlich die Europawahl gewonnen – begegnen können.
Mit dem Gemeinwohl der britischen Gesellschaft hat das alles herzlich wenig zu tun. Kalkül ersetzt konstruktive Politik.