Salman Rushdie ist ein englischer Autor mit kashmir-indischen Wurzeln. Er lebte zwölf Jahre im Untergrund, nachdem der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini 1989 gegen ihn eine Fatwa, ein Todesurteil, ausgesprochen hatte. Der Grund waren seine Satanischen Verse.
Heute bewegt sich Salman Rushdie wieder frei und war zu Gast am Literaturfestival Leukerbad. Dort äusserte er sich auch zu Ägypten.
SRF: In Ägypten hat das Militär eine demokratisch legitimierte islamistische Regierung entmachtet. Was halten Sie von diesem Putsch?
Salman Rushdie: Ich möchte mich nicht zum Experten einer Region aufspielen, die ich nicht gründlich kenne. Trotzdem: Man kann von mir nicht erwarten, dass ich ein grosser Fan der Muslimbrüder bin. Das bin ich nicht, und sie haben sich tatsächlich während Mursis Jahr im Amt als inkompetent entpuppt. Andererseits bin ich auch nicht ein Liebhaber von Militärputschs. Ich habe über Militärputschs geschrieben, etwa in Pakistan, wo militärische Interventionen die Demokratie wiederholt umgestürzt haben. Und die Armee hinter den Kulissen noch heute die wahre Macht hat, trotz einer gewählten Regierung. Ich weiss also etwas darüber. Ich finde es interessant, in welchem Ausmass liberale und progressive Kräfte die militärische Intervention begrüssen. Ein ganzes Spektrum von Leuten von Scheich al Azhar bis Mohamed El Baradei standen hinter den Generälen, als sie den Umsturz verkündeten – das ist ungewöhnlich – und wir müssen es als ungewöhnliches Ereignis deuten. Es gibt natürlich die Tendenz bei Generälen, dass sie einmal gewonnene Macht nicht gerne abgeben, aber wir werden sehen.
Man könnte sagen, der arabische Frühling entwickelt sich zu einer epischen Schlacht zwischen Fundamentalismus und Säkularismus. Stimmen Sie bei?
Das war er wohl schon immer. Aber interessanterweise spielte die Religion während des ursprünglichen arabischen Frühlings eine kleine Rolle. In Tunesien, Libyen und sogar Ägypten war nicht die Religion das Thema, sondern wirtschaftliche Entwicklung und persönliche Freiheit. Es war in diesem Sinne eine altmodische Revolution. Aber die religiösen Parteien kaperten die Bewegung, weil sie besser organisiert waren, zum Beispiel in Ägypten. Aber natürlich ist es der Kampf zwischen Fundamentalisten und Liberalen, das ist der Kampf dieser Gesellschaften.
Glauben Sie grundsätzlich an demokratische gewählte, islamistische Regierungen?
Daran muss ich nicht glauben, das ist nicht eine Glaubensfrage. Manchmal werden sie gewählt, zum Beispiel in der Türkei. Aber auch dort: Am Anfang gab sich die islamistische Regierung gemässigt in ihrem Amt, in ihrer Regierungs-Verantwortung, aber nun da sie sich sicherer fühlt, scheint sie autoritärer zu werden. Ich bin generell der Meinung, dass sich die Religion aus der Politik heraushalten soll. Mit Religion lässt sich nicht effizient regieren. Zum Beispiel ist Pakistan ist eine schlimmes Beispiel dafür. Das Land wurde für Menschen einer bestimmten Religion gegründet und spaltete sich in weniger als 25 Jahren, weil die Religion es nicht schaffte, die verschiedenen politischen Dynamiken zusammenzuhalten. Und so entstanden Pakistan und Bangladesch. Und auch seither verhext die religiöse Politik Pakistan und macht es zu einem der unsichersten und gewalttätigsten und gefährlichsten Ländern der Welt.