- Rund 15'500 Menschen erreichten zwischen Samstagmorgen und Sonntagabend München
- Papst Franziskus hat kirchliche Institutionen um die Aufnahme von Flüchtlingsfamilien gebeten
- Die deutsche Regierung rief erneut die EU zum Zusammenhalt in der Flüchtlingspolitik auf
- Die EU-Kommission will offenbar am Mittwoch einen Notfallplan zur Umverteilung der Flüchtlinge beschliessen
Sie strahlen, lachen und winken. Manche Flüchtlinge weinen auch vor Freude bei ihrer Ankunft auf dem Münchner Hauptbahnhof. Man sieht ihnen die Strapazen an, aber sie haben es geschafft, ihr Traum hat sich erfüllt: Sie sind endlich in «Almaniya». Ein junger Mann hält auf dem Gleis dankbar ein Foto von Bundeskanzlerin Angela Merkel hoch.
Zwischen Samstagmorgen und Sonntagabend sind rund 15'500 Flüchtlinge über Ungarn und Österreich nach München gereist, wie die Regierung von Oberbayern mitteilte.
«Kapazitätsgrenzen erreicht»
In der Nacht werde in München noch ein weiterer Zug mit etwa 2200 Flüchtlingen erwartet, sagte eine Sprecherin der Bezirksregierung. «Das hat unsere Erwartungen übertroffen», sagte sie. «Unsere Kapazitäten schwinden. Wir kommen an unsere Grenzen, und zwar sehr deutlich.»
«Wir hatten gedacht, dass die Zahl der Flüchtlinge am Sonntag abebben würde, doch nun sieht es ganz anders aus», sagte derweil der Sprecher des Münchner Polizeipräsidiums, Thomas Baumann. Er sieht die Lage etwas drastischer: München habe bei der Unterbringung der Neuankömmlinge nunmehr seine «Kapazitätsgrenzen» erreicht.
Um die Stadt zu entlasten, sei inzwischen ein Zug mit der Zustimmung der zuständigen Landesbehörden direkt nach Braunschweig und ein zweiter nach Stuttgart weitergeleitet worden. Weitere Züge dürften «hoffentlich» noch am Abend nach Schleswig-Holstein und Thüringen weiterfahren.
Halle für 3000 Flüchtlinge
Die Münchner Behörden haben sich in kürzester Zeit vorbereiten müssen. Als Notquartier wurde binnen Stunden unter anderem eine Halle auf dem Münchner Messegelände vorbereitet. Es gibt dort Platz für 3000 Menschen.
Mit Bussen wurden viele Flüchtlinge, die am Hauptbahnhof ankommen, dorthin gebracht. Sie durchliefen in der Eingangshalle zuerst eine kurze medizinische Untersuchung, bevor es in den Aufenthalts- und Schlafbereich ging.
«Keine schlimmen Erkrankungen»
Die meisten Flüchtlinge hätten keine schlimmen Erkrankungen, sofern dies auf den ersten Blick erkennbar sei, sagt Marcel Creydt. Er koordiniert den medizinischen Bereich in der Messehalle. Die meisten Patienten hätten Husten oder Schnupfen aufgrund der niedrigen Temperaturen oder Durchfall durch den Stress der Reise.
In Ungarn selbst leerten sich die Flüchtlingslager nach und nach. Nach wie vor reisten Flüchtlinge jedoch zur österreichischen Grenze, um von dort weiter nach Westen zu kommen. Vom Budapester Ostbahnhof starteten am Sonntag regelmässig Züge mit Migranten zum Grenzort Hegyeshalom. Von dort gingen diese zu Fuss über die Grenze.
Papst ruft zur Aufnahme von Flüchtlingen auf
Angesichts der Flüchtlingskrise hat Papst Franziskus alle katholischen Gemeinden in Europa aufgerufen, eine betroffene Familie aufzunehmen.
Als «konkrete Geste» zur Vorbereitung des kommenden Heiligen Jahrs solle «jede Pfarrgemeinde, jede religiöse Gemeinschaft, jedes Kloster» in Europa eine Familie beherbergen, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche während des Angelus-Gebets auf dem Petersplatz in Rom. Nach seinen Angaben werden die beiden Pfarrgemeinden des Vatikan in den nächsten Tagen mit gutem Beispiel vorangehen.
Aufruf an die EU
Die deutsche Regierung rief die EU erneut zum Zusammenhalt in der Flüchtlingspolitik auf. Kanzleramtschef Peter Altmaier sagte im Sender ZDF, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe klar gesagt, dass europäisches Recht von allen eingehalten werden müsse. Dazu gehöre das Dublin-Verfahren.
Spitzenpolitiker der deutschen Regierungskoalition trafen sich am Sonntagabend in Berlin. Die Gespräche drehten sich unter anderem die Verteilung der Kosten für die Versorgung und Unterbringung der nach Deutschland kommenden Menschen, aber auch um die aktuelle Masseneinreise von Flüchtlingen aus Ungarn.
Notfallplan soll am Mittwoch beschlossen werden
Derweil dringen Informationen zur Umverteilung der Flüchtlinge an die Öffentlichkeit. So will die EU-Kommission anscheinend Ungarn um 54'000 schutzbedürftige Flüchtlinge entlasten. Diese sollen dann nach einem festen Schlüssel auf die Mitgliedstaaten verteilt werden.
Weitere 50'400 Flüchtlinge sollen aus Griechenland umgesiedelt werden, aus Italien 15'600, wie die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» unter Berufung auf einen entsprechenden Notfallplan berichtet. Die Kommission will den Plan zur Umverteilung der 120'000 Flüchtlinge demnach am kommenden Mittwoch formell beschliessen.
31'443 Flüchtlinge für Deutschland
Der von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker geplante Verteilschlüssel für Flüchtlinge sieht offenbar für Deutschland die Aufnahme von 31'443 Menschen vor. An zweiter und dritter Stelle stünden Frankreich (24'031) und Spanien (14'921), wie die «Welt am Sonntag» berichtet.
Der Notfallplan soll Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea und Afghanistan betreffen. Sie haben eine besonders hohe Aussicht auf Asyl, mindestens 75 Prozent der Anträge werden den Angaben zufolge genehmigt. Der Plan gilt für einen Zeitraum von zwei Jahren. Die Kommission zahle jedem Aufnahmeland 6000 Euro pro Flüchtling.