International - Mursi-Prozess: «Machthaber wollen keine neuen Märtyrer»
Kaum hatte der Prozess gegen den abgesetzten Ex-Präsidenten Mohammed Mursi begonnen, war er auch schon wieder vorbei. Wegen Zwischenrufen von Mursi und handgreiflicher Auseinandersetzungen vertagte der Richter den Prozess. SRF-Korrespondent Pascal Weber analysiert die Lage.
Der Prozess gegen den abgesetzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi ist bereits kurz nach Beginn ins nächste Jahr vertagt worden. Das Verfahren werde am 8. Januar fortgesetzt, erklärte der Richter in Kairo.
Der Richter hatte die Verhandlung nach Zwischenrufen des Angeklagten unterbrochen. «Ich bin Dr. Mohammed Mursi, legitimer Präsident der Republik», hatte er gerufen. «Dieses Gericht ist illegal.» Den Richter forderte er auf: «Beenden Sie diese Farce! Für mich sind Sie kein Gericht!» Mursi fügte an: «Es gab hier einen Putsch. Putschen ist Landesverrat. Die Anführer dieses Putsches gehören vor Gericht.» Dann unterbrach der Richter die Sitzung.
Mursi wirft dem Militär einen «Staatsstreich» vor, weil es ihn am 3. Juli entmachtete und seitdem an einem geheimen Ort gefangen hielt.
Nach Angaben des Staatsfernsehens kam es zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen den Verteidigern und einigen Prozessbeobachtern.
Für SRF-Korrespondent Pascal Weber ist der Prozess gegen Mursi «hochgradig politisch aufgeladen». Auch beim Urteil werde die Politik wieder eine Rolle spielen, sagt Weber. «Die jetzigen Machthaber wollen Mursi und die Muslimbrüder aus dem Verkehr ziehen, sind aber sicher nicht daran interessiert, neue Märtyrer zu kreieren.»
Zukünftige Präsidenten könnten aus einem möglichen Schuldspruch lernen, «ihre Macht so weit auszubauen», dass sie nicht vor einem politisch motivierten Gericht stehen müssten. Das würde wieder zu neuem Machtmissbrauch führen, schlussfolgert Weber. «Es sei denn, Mursi erhält tatsächlich einen fairen und transparenten Prozess.»
Bei dem Prozess in einer Polizeiakademie in Kairo geht es um den Tod von mindestens sieben Demonstranten bei Protesten gegen Mursi im Dezember 2012. Ihm wird «Aufruf zum Mord» vorgeworfen. Mit Mursi stehen 14 weitere Angeklagte vor Gericht, darunter Führungskader der islamistischen Muslimbrüder. Bei einer Verurteilung drohen ihnen lebenslange Haft oder die Todesstrafe.
Das Verfahren gegen den Ex-Präsidenten der Muslimbruderschaft droht, die Spannungen im Land anzuheizen. Vorsorglich hatte das Innenministerium 20'000 Polizisten mobilisiert, um den Gerichtssaal im Kairoer Stadtteil Tora zu sichern.
Es ist der erste öffentliche Auftritt des Ex-Präsidenten, seit er am 3. Juli nach Massenprotesten vom Militär entmachtet worden war. Seitdem wird er an einem unbekannten Ort festgehalten. Mursi war der erste frei und demokratisch gewählte Staatschef Ägyptens.
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