Radio SRF: Nordkorea hat heute trotz internationaler Warnungen eine Langstrecken-Rakete abgefeuert. Wie hat China, Pjöngjangs Verbündeter, darauf reagiert?
Asien-Korrespondent Martin Aldrovandi: Peking hat sein Bedauern über den Test geäussert und den nordkoreanischen Botschafter einbestellt. Aber eigentlich ist das Thema Nordkorea in den chinesischen Medien etwas untergegangen: Morgen ist chinesischer Neujahrstag, da sind jetzt schon alle im Urlaub oder am Feiern. Im Fernsehen läuft eine mehrstündige Neujahrsgala, sogar auf dem Nachrichtensender. Dort wurde zumindest kurz die Übertragung der Festivitäten unterbrochen, damit der Sprecher die offizielle Reaktion Chinas vorlesen konnte. Sonst aber waren die chinesischen Medien in ihrer Berichterstattung sehr zurückhaltend.
Es ist Nordkoreas zweiter Test innerhalb eines Monats, und er fällt just auf diese Feierlichkeiten – führt Pjöngjang Peking da vor?
Das kann man schon sagen. Für Peking ist es ein ziemlich ungünstiger Zeitpunkt: In einem Moment, in dem China sich selbst feiert, wird es von Nordkorea blossgestellt. Nordkorea wird für China immer mehr zum Ärgernis. Offenbar wurde Peking auch dieses Mal wieder nicht im Voraus über den Test informiert. Der Druck auf China vonseiten der USA wird noch weiter wachsen, dass China wiederum mehr Druck auf Nordkorea aufsetzt, damit dieses sein Atomprogramm und seine Raketentests beendet. Das alles ist gar nicht im Sinne von Peking.
Könnte China denn überhaupt mehr Einfluss nehmen auf das Regime in Pjöngjang?
Wenn es das unbedingt wollte, könnte es das bestimmt. Nur ist es schwer zu sagen, wie viel Einfluss Peking auf Pjöngjang überhaupt hat. Nordkorea ist, zum Beispiel was Rohstoffe angeht, von China abhängig; zudem ist China der einzige Verbündete des Regimes. Doch China befindet sich in einem Dilemma, denn es ist gleichzeitig an einem stabilen Nordkorea interessiert. Wenn es die Lieferung von Rohstoffen einstellen würde und das Regime in Nordkorea zusammen- und Chaos ausbrechen würde, wäre das auf keinen Fall im Sinne von Peking. Dann kämen Millionen von Nordkoreanern als Flüchtlinge nach China. Zudem hätten dann die Südkoreaner beziehungsweise die USA eine direkte Grenze zu China. All das will China nicht – und das weiss auch Nordkorea.
Gibt es denn gar keine Möglichkeiten für Peking, auf Pjöngjang Einfluss zu nehmen?
Es kann auf militärischer Ebene mit Nordkorea sprechen; da gibt es Verbindungen, die weit zurückgehen. Ansonsten kann es probieren, Nordkorea umzustimmen. Aber wirklich konkret kann China nichts unternehmen, ohne dass es sich selbst damit schadet.
Das Gespräch führte Simone Fatzer.