Nordkorea und Iran streben oder strebten nach Atomwaffen. Indien, Pakistan und Israel haben sich entgegen dem Atomsperrvertrag welche beschafft und rüsten teils gar weiter auf. China, Russland und die USA modernisieren ihre Arsenale, statt ihre völkerrechtliche Pflicht zu erfüllen und kräftig abzurüsten.
Gerade wegen der angespannten Weltlage ist es umso wichtiger, zu versuchen, die Risiken von Atomwaffen und die Gefahr eines Atomkriegs zu vermindern.
Das sei extrem bedrohlich, gerade wegen der aktuellen geopolitischen Spannungen, findet Aussenminister Didier Burkhalter. «Viele denken, dass wegen der gegenwärtigen internationalen Spannungen keine Fortschritte möglich seien. Aber eigentlich ist das Gegenteil richtig: Gerade wegen der angespannten Weltlage ist es umso wichtiger, zu versuchen, die Risiken von Atomwaffen und die Gefahr eines Atomkriegs zu vermindern.»
Atomwaffen auch ohne Atomkrieg gefährlich
Atomwaffen sind nicht nur dann gefährlich, wenn sie gezielt in einem Atomkrieg eingesetzt werden. Sie könnten auch unabsichtlich detonieren, durch virtuelle Attacken, durch Fehler oder Schlamperei, oder sie könnten in die Hände von Terroristen gelangen.
«Denken wir zum Beispiel an Cyber-Attacken. Oder es kann sein, dass ein Fehler passiert und es zu einem Unfall kommt. Dann haben wir die Gefahr eines Atomlecks oder einer nuklearen Explosion, ja eines Atomkriegs», befürchtet Burkhalter.
Initiative zum Verbot von Atomwaffen
Die Schweiz lancierte deshalb schon vor einiger Zeit eine Initiative, Atombomben grundsätzlich und aus humanitären Gründen zu ächten und zu verbieten. «157 Staaten haben sich unserer Linie angeschlossen, Atombomben aus humanitären Gründen zu ächten. Das sind sehr viele. Ich sehe das als Erfolg», sagt Burkhalter.
Mit dem humanitären Völkerrecht, mit den Genfer Konventionen sind Massenvernichtungswaffen nicht vereinbar: Denn beim Einsatz lässt sich nicht zwischen Angriffen auf Soldaten und solchen auf Zivilisten unterscheiden. Chemische und biologische Waffen sind daher inzwischen verboten; Atomwaffen sind es noch immer nicht – und werden es wohl auch nicht so rasch.
Das weiss auch Burkhalter. «Deshalb muss man die Sache sowohl ehrgeizig als auch pragmatisch angehen.» Konkret: Ein erster Schritt bestünde darin, dass die Atommächte wenigstens freiwillig den Alarmierungszustand ihrer Atomwaffen verringern. Und:
Es gibt zurzeit viel zu viele Atomwaffen, die innerhalb von Minuten eingesetzt werden könnten. Das ist brandgefährlich.
«Unser Ansatz ist es, ein sogenanntes 'De-Alerting' zu erreichen. Das heisst, wir wollen die Atommächte dazu bringen, dass sie den Bereitschaftsgrad ihrer Atomwaffen senken. Es gibt zurzeit viel zu viele Atomwaffen, die innerhalb von Minuten eingesetzt werden könnten. Das ist brandgefährlich.»
Atommächte nicht an den Pranger stellen
Doch für den Schweizer Aussenminister bringt es nichts, die Atommächte an den Pranger zu stellen. «Es ist wichtig, dass wir Wege finden, mit den Nuklearmächten zusammenzuarbeiten. Wir erreichen nichts, wenn wir sie einfach stigmatisieren.»
Man müsse zwingend mit ihnen ins Gespräch kommen. «Wenn wir in die Zukunft schauen und wirklich Fortschritte erzielen wollen, dann müssen wir auf inklusive Methoden setzen, also auf Methoden, die sich nicht gegen Atommächte richten, sondern diese einbeziehen. Wir müssen mit allen arbeiten.»
Burkhalter ist zuversichtlich
Bisher haben sich die Grossmächte der Debatte verweigert. Nun sieht Burkhalter eine allmähliche Öffnung und ein klein bisschen Bewegung in die Sache kommen. Gerade in Militärkreisen wachse die Einsicht, dass es zurzeit weitaus mehr Atomwaffen und in einer viel zu hohen Alarmbereitschaft gebe, als für die nukleare Abschreckung nötig seien.
Dass sich gerade die Schweiz so energisch für die atomare Abrüstung einsetzt, ist kein Zufall. Die jüngsten Iran-Atomverhandlungen fanden hier statt, früher auch Gespräche über Nordkoreas Atomprogramm oder über einen atomwaffenfreien Nahen Osten.
Suche nach Verbündeten
«Die Schweiz ist also zum Einen anerkannt als Gastgeberin, als Ort, wo man solche schwierige Fragen diskutieren und nach Lösungen suchen kann. Andererseits sind wir prädestiniert für die Rolle als Brückenbauerin. Denn wir geniessen das Vertrauen von allen Seiten», sagt Burkhalter.
Doch allein erreicht ein Kleinstaat in der UNOin dieser heiklen Frage nichts. Also braucht Burkhalter Verbündete, andere Länder, die nicht nur verbal für eine atomwaffenfreie Welt eintreten, sondern dafür kämpfen.
«Um nur ein Beispiel zu nennen: Gerade hatte ich ein Treffen mit Schweden. Schweden war in den letzten Jahren nicht mehr sehr engagiert im Kampf für die Ächtung von Atomwaffen, ist jetzt aber wieder auf diesen Kurs zurückgekehrt. Und wir haben soeben beschlossen, in dieser Frage sehr eng zusammenzuarbeiten.»
Eine Abkehr von Atomwaffen ist ein ganz fernes Ziel. Doch angesichts der verheerenden Wirkung wären selbst kleinste Fortschritte immens wertvoll.