Kopfüber wirbeln Menschen durch die Luft. 30 Meter hoch, festgeschnallt in Plastiksitzen, in einer sternförmigen Konstruktion, gehalten von dicken Bügeln in gelb, orange und grün.
Wiesn-Ausflug mit Parlamentarier
Oben johlen die Fahrgäste. Unten stehen Samuel, Meron und acht Landsleute aus Eritrea. Sie starren nach oben, schütteln den Kopf. «Gibt's nicht!» Flüchtlinge treffen auf das Oktoberfest. Und staunen. Ein Kulturschock? «Nice» – also schön - finden die jungen Männer das grösste Volksfest der Welt.
Er habe so etwas schon im Sudan gesehen, aber viel kleiner, sagt Samuel Laine. Der 26-Jährige war vier Jahre auf der Flucht, ehe er vor vier Monaten in München ankam. Er ist mit rund hundert anderen Flüchtlingen im Stadtteil Trudering untergebracht. Dort wohnt auch der SPD-Landtagsabgeordnete Markus Rinderspacher. Er hat seine neuen Nachbarn zum sonntäglichen Mittagsausflug auf die Wiesn eingeladen.
Flüchtlingen die Kultur nahebringen
Soweit im Bierzelt möglich, klappt die Verständigung recht ordentlich – mit Brocken Deutsch, Italienisch und Englisch. «Es geht darum, ein Zeichen zu setzen, dass die Willkommenskultur fortgesetzt wird und nicht am Hauptbahnhof endet», sagt Rinderspacher.
Helmut Schweiger und seine Frau vom Helferkreis in Trudering begleiten die Migranten. Die Menschen seien nicht wegen der Wiesn nach Deutschland gekommen. Aber: «Wenn die Leute schon einmal hier sind, müssen wir uns darum kümmern», sagt Schweiger. Dazu gehöre, «dass man ihnen unsere Kultur nahebringt». Kleine Pause. «Ob das Oktoberfest dazu gehört, darüber kann man streiten.»
Kein Streit mit Wiesn-Gästen bekannt
Wiesn und Flüchtlinge: Einige hatten sich gesorgt, ob das gut gehen kann - vor allem wegen eines Aufeinandertreffens am Münchner Hauptbahnhof. Hier Scharen erschöpfter Asylsuchender, dort feierwütige Wiesn-Gäste, die gleichzeitig aus den Zügen steigen. Inzwischen werden die meisten Flüchtlinge aber gleich von den Grenzen in andere Bundesländer weitergeleitet.
«Der Bundespolizei wurde kein einziger Fall bekannt, in dem es zwischen Wiesn-Gästen und ankommenden Flüchtlingen zu Problemen gekommen ist», berichteten die Beamten nach dem ersten Wochenende. Nur das ungewöhnliche Styling und mit einer «überwiegend trachtigen Optik» der meisten Wiesn-Gäste versetzte manchen Ankömmling in Staunen. Aber das geht auch Norddeutschen so.
«Es war ja nur ein Glas»
Rinderspachers Gäste steigen inzwischen ins Riesenrad, machen Selfies mit Blick über München. Ob sie die Aufnahmen ihren Familien in Afrika schicken, lassen die jungen Männer offen.
Sie haben sich jedenfalls schnell eingewöhnt. Im Bierzelt klatschen sie bei bekannten Wiesn-Hits mit. Sie verzehren Hendl und prosten sich wie Einheimische mit den schweren Masskrügen zu. Ob er das Bier spüre? Samuel schüttelt den Kopf: «Es war ja nur ein Glas.»