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Ruinen des Spitals
Legende: Sechs Patienten seien in ihren brennenden Betten verstorben, erzählt ein Augenzeuge. Keystone

International Opferzahl nach Spital-Angriff in Kundus steigt auf 22

Nach dem Bombenangriff auf eine Klinik der Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Afghanistan ist die Zahl der Toten gestiegen. Bei den Opfern handelt es sich um zwölf MSF-Mitarbeiter und zehn Patienten, darunter drei Kinder. Weil die Klinik nicht mehr nutzbar ist, hat sich MSF aus Kundus zurückgezogen.

Nach dem mutmasslichen US-Luftangriff auf ein Spital von Ärzte ohne Grenzen im nordafghanischen Kundus zieht sich die Hilfsorganisation vorerst aus der Stadt zurück. Die Klinik sei «nicht mehr nutzbar», sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur AFP.

Die Organisation sei nicht mehr dort tätig, dringend behandlungsbedürftige Patienten seien in andere Kliniken gebracht worden. «Ich kann derzeit nicht sagen, ob das Traumazentrum wiedereröffnet wird oder nicht», sagte die Sprecherin. Die Zahl der Toten ist indessen auf 22 angestiegen. Es handelt sich um 12 MSF-Mitarbeitende und 10 Patienten, darunter drei Kinder. Weitere 37 Menschen wurden schwer verletzt, davon 19 Mitarbeiter.

Explosionen waren immer weiter entfernt

Die Nato erklärte, möglicherweise sei die Klinik bei einem Luftangriff der Militärallianz getroffen worden. In einer Erklärung war von einem möglichen «Kollateralschaden» die Rede. Die USA bestätigten Luftangriffe nahe der Klinik und sagten Aufklärung zu.

Der Krankenpfleger Lajos Zoltan Jecs war im Trauma-Spital von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Kundus, während es am Samstagmorgen von einer Reihe von Luftangriffen getroffen wurde. Er beschreibt die schrecklichen Erlebnisse, die er und andere Teammitglieder und Patienten durchmachen mussten.

«Es war absolut entsetzlich. Es war gegen zwei Uhr morgens, als ich vom Knall einer grossen Explosion aufwachte. Zunächst verstand ich nicht, was passierte.» Es habe zwar in den Wochen zuvor immer wieder Explosionen gegeben – die seien allerdings weiter entfernt gewesen.

Notoperationen auf Bürotischen

Dass das Spital getroffen wurde, realisierte Lajos Zoltan Jecs erst, als ein Kollege blutüberströmt in den Raum kam. «In diesem Moment konnte mein Gehirn nicht verstehen, was passierte. Einen Moment lang stand ich einfach still, schockiert. Er schrie um Hilfe.» Er hätte für den Kollegen getan, was er konnte.

Später hätte er mit weiteren Kollegen angefangen, nach Überlebenden zu suchen. Einige wenige hatten es zu den Schutzräumen geschafft. Dann hätten sie versucht, einen Blick in das brennende Gebäude zu werfen. «Auf der Intensivstation brannten sechs Patienten in ihren Betten. Wir suchten unsere Kollegen, von denen einige im Operationsraum sein sollten. Es war schrecklich. Ein Patient lag auf dem OP-Tisch, tot, inmitten der totalen Zerstörung.»

Sie hätten dann die Büroräume zu Operationssälen umfunktioniert, erzählt der Augenzeuge. Eine Notfalloperation an einem Arzt sei ohne Erfolg gewesen. Überhaupt hätten sie zuschauen müssen, wie ein Teammitglied nach dem anderen gestorben sei.

Rückeroberung nach Gegenoffensive

«Das Spital war für mehrere Monate mein Arbeitsplatz und mein Zuhause. Ja, es ist nur ein Gebäude. Aber es ist so viel mehr. Es ist die Gesundheitsversorgung für Kundus. Die aber gibt es jetzt nicht mehr.»

Kundus war am Montag von den radikalislamischen Taliban erobert worden. Die Armee startete eine Gegenoffensive und meldete am Freitag die Rückeroberung der Stadt. Dutzende Menschen sollen getötet und hunderte weitere verletzt worden sein.

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