Viktor Orbán, der einstige Studenten-Rebell liebt heute als Ministerpräsident das Durchregieren ohne Widerstände. Der 50-Jährige kämpft und poltert in jeder politischen Lebenslage. Nicht nur seinem eigenen Land will er seine Vision aufzwingen, auch mit der Europäischen Union (EU) sucht er immer wieder den Konflikt.
Der starke Wille des 1963 geborenen Orbán machte sich schon früh bemerkbar. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen in einem Dorf bei Székesfehérvár (Stuhlweissenburg), südwestlich von Budapest, auf. Als Jurastudent war er Mitbegründer des «Bundes Junger Demokraten», des Fidesz.
Fidesz galt zuerst als basisdemokratisch und links-liberal. Doch bald zog eine machtbewusste Gruppe um Orbán die Fäden. Zu dieser gehörten Männer, die bis heute die Geschicke des Landes mitbestimmen. So etwa Parlamentspräsident Laszlo Köver oder der Bau- und Marketing-Oligarch Lajos Simicska.
1993 riss diese Gruppe um Orbán die ganze Macht des Fidesz an sich. Der urbane, liberale Flügel um Gabor Fodor verliess die Partei. Seine Splitterpartei Die Liberalen ist heute das kleinste Glied der oppositionellen Mitte-Links-Koalition, die sich gegen Orbáns Allmachtsanspruch stellt.
Jüngster Regierungschef der Geschichte
1998 übernahm Orbán erstmals die Regierungsgeschäfte. Mit 35 Jahren war er damals der jüngste Ministerpräsident der ungarischen Geschichte. Mit seinem Fidesz hatte er sich inzwischen klar im rechten Lager positioniert und pflegt bürgerliche und nationale Werte.
Als Orbán 2002 überraschend die Wahl verlor, liess er seine Anhänger aufmarschieren und kritisierten das Ergebnis als Wahlbetrug.
Die Wahl im Frühjahr 2010 brachte Orbán die lang ersehnte Rückkehr an die Macht, noch dazu mit einer Zweidrittelmehrheit für seine Fidesz-Fraktion. Damit konnte Orbán auch die Verfassung und Gesetze nach seinen Wünschen anpassen.
Faktisch konnte so die Fidesz demokratischer Institutionen aushöhlen. Eine neue Verfassung verpasst dem Land einen klerikal-nationalistischen Anstrich. Ein neues Mediengesetz bietet Handhabe zur Einschränkung der Medienfreiheit. Auch die begrenzte Unabhängigkeit der Justiz und der Notenbank wurde von der EU-Kommission kritisiert.
Massgeschneidertes Wahlgesetz für Orbáns Fidesz
Mit Ihrer Zweidrittelmehrheit hat der Fidesz auch das Wahlgesetz angepasst. So hat die Regierung die Möglichkeit, Wahlkreise neu festzulegen. Dort gilt nun das Prinzip «the winner takes all», das heisst, 50 Prozent der abgegebenen Stimmen plus eine reicht aus, um den Wahlkreis zu gewinnen.
Ein weitere Wahlrechtsanpassung führt dazu, dass viele ethnische Minderheiten ihr freies Wahlrecht selber einschränken. Weil sich die Wähler registrieren müssen, werden sie dabei aufgefordert, ihre ethnische Zugehörigkeit anzugeben. Wer dies tut, verliert aber das Recht, für eine Partei zu stimmen und darf nur noch angeben, welcher Vertreter der jeweiligen Minderheitenorganisationen ins Parlament ziehen soll. Die Bürger/innen müssen sich somit zwischen ethnischen Identität und allgemeinem Wahlrecht entscheiden.
Die Regierung wiederum verteidigt die Regelung mit dem Argument, dass dadurch Vertreter der Minderheitenorganisationen leichter ins Parlament kämen, weil sie dafür nur ein Viertel der Stimmenanzahl benötigten, die ein Vertreter einer der politischen Parteien braucht.
Schon 2010 hatte Viktor Orbán klar gemacht, worum es ihm geht. Für die nächsten 15 bis 20 Jahre, hatte er vor Partei-Intellektuellen erklärt, müsse «ein einziges politisches Kraftfeld die Geschicke der Nation bestimmen». Damit meint er gewiss sich und den Fidesz.