«Die Oppositionsbewegung in der Ukraine ist frustriert», sagt Peter Gysling, Osteuropa-Korrespondent von SRF. Die Regierung und das Parlament haben letzte Woche per Gesetz jede Kundgebung unter Strafe gestellt. «Das hat die zwischen 100‘000 und 200‘000 Menschen in Rage gebracht.»
Ob es allerdings tatsächlich eine Gruppe junger Demonstranten war, die mit Baseballschlägern und Molotowcocktails die Polizei attackiert haben, wisse man nicht, so Gysling. «Es ist gut möglich, dass diese Gruppe von Geheimdienstleuten angestiftet worden ist», sagt Gysling. Denn: eine derart heftige Attacke komme der Regierung gelegen. Dadurch kann das harte Eingreifen gegen die ganze Oppositionsbewegung legitimiert werden.
Berechtigte Warnung vor einem Bürgerkrieg?
Nach den Zusammenstössen und nach seinem Treffen unter vier Augen mit dem Staatspräsidenten Viktor Janukowitsch sagte der Oppositionsführer Vitali Klitschko einem Fernsehsender, er glaube, man könne einen Bürgerkrieg nicht mehr ausschliessen.
Gysling sagt dazu: «Wenn man die unglaublich vielen Menschen sieht, die sich trotz Demonstrationsverbot eingefunden haben, dann bekommt man schon den Eindruck, dass sich da grosse Massen gegenüberstehen. Hier die Pro-Europa-Bewegung, dort die Staatsgewalt.» Die Oppositionsbewegung sehne sich nach einem dezidierteren Anführer, einem, der ihre Interessen nachdrücklicher vertritt.
Die Bewegung werde sich nicht so schnell zum Schweigen bringen lassen, meint Gysling. Allerdings habe sie keine Möglichkeit mehr, ihre Forderungen durchzubringen. Der Staatspräsident und das Parlament der Ukraine sind rechtmässig gewählt. «Die Opposition kann die Mehrheitsverhältnisse in der Ukraine im Moment nicht verändern. Die Situation ist blockiert.»
Von dem Vermittlungstreffen, auf das sich Janukowitsch mit Klitschko in einem Gespräch geeinigt haben, erwartet der SRF-Korrespondent nicht viel. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Janukowitsch von seinem pro-russischen Kurs abweicht.»