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International Polens Unzufriedene: Wie tickt «Dudaland»?

Mit dem Wunsch nach Wechsel machten die Polen kürzlich den national-konservativen Andrzej Duda von der Partei Recht und Gerechtigkeit zum neuen Präsidenten. Besonders stark schnitt Duda im Karpatenvorland ab, einer armen Region im Südosten des Landes. Urs Bruderer war dort unterwegs.

Eigentlich hat der Mann, nennen wir ihn Tomasz, Glück. 40 Jahre schon arbeitet er für denselben Betrieb in Ustrzyki Dolne. Holzverarbeitung.

Dennoch ist Tomasz unzufrieden. «Nach dem alten System wäre ich in fünf Jahren pensioniert worden», sagt er. «Ich bin 60 Jahre alt. Jetzt, nach der Reform, muss ich noch sieben Jahre bis zur Pensionierung arbeiten.»

Dudas Partei

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Recht und Gerechtigkeit ist eine konservative Partei. Sie gilt als EU-skeptisch, nationalkonservativ, christdemokratisch und populistisch. Gegründet wurde sie 2001 vom Ex-Präsidenten Lech Kaczyński († 2010 / Flugzeugabsturz Smolensk) und seinem Zwillingsbruder Jarosław Kaczyński.

Also wählte er wohl Duda zum neuen Präsidenten?

«Genau», gibt Tomasz unumwunden zu. «Ich hoffe, dass es ihm gelingt, die Rentenreform rückgängig zu machen.»

Das war eines von Dudas vielen Wahkampfversprechen, die er kaum halten kann. Das weiss auch Tomasz. Dennoch war er empfänglich für diese Versprechungen. Und das, obwohl auch das Karpatenvorland auf gute Jahre zurückblickt.

Die Leute meinen immer noch, hier sei nur staubiges Nichts.
Autor: Pawel Walawender Soziologe aus Rzeszow

«Vor zehn Jahren sah es hier noch ganz anders aus», sagt der Soziologe Pawel Walawender aus Rzeszow, der Hauptstadt des Karpatenvorlandes. Er erinnert sich an Schlaglöcher, dreckige Innenstädte und mürrische Leute. Und heute?

«Rzeszow ist eine Erfolgsgeschichte», sagt Walawender. «Die Leute meinen immer noch, hier sei nur staubiges Nichts.» Aber Rzeszow sei in den letzten Jahren dank geschickter Standortpolitik zu einem starken Zentrum der Luftfahrtindustrie geworden. Und zu einer Universitätsstadt, welche die gesuchten Ingenieure hervorbringt.

«Aber das Problem ist», stellt Walawender fest, «dass die Stadt Rzeszow eine Insel in einer nach wie vor armen Region ist.»

Wenig Arbeit, tiefe Löhne

Zwar wirken auch die Dörfer und Kleinstädte inzwischen aufgeräumt, die Kirchen sind renoviert, die Überlandstrassen in gutem Zustand. Die EU-Gelder für Landwirtschaft und Infrastruktur hinterlassen Spuren. Doch es gibt kaum Arbeit. Und wer wie Holzarbeiter Zygmunt einen Job hat, der verdient deutlich weniger als er anderswo in Polen verdienen würde, und viel weniger als zum Beispiel in Deutschland.

Das macht die Menschen unzufrieden, auch wenn es der Region, verglichen mit früher, besser geht. Doch man vergleicht nicht mit früher, man vergleicht mit den Nachbarn.

Vertrauen in die Regierung fehlt

Und die Regierung habe diesen Vergleich regelrecht herausgefordert, sagt die Vizebürgermeisterin von Ustrzyki Dolne, Ewa Sudou. Sie ist in der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit.

«Der Hauptfehler der Regierungspartei war, dass sie den Leuten sagte, Polen sei ein Tigerstaat und bald so gut dran wie Irland», analysiert Sudou. «Das war Schwachsinn.» Die Leute hier verglichen diese Behauptungen mit ihrer Wirklichkeit und dachten sich dann. Aha. Denen in Warschau geht es gut, den Politikern, der Premierministerin. Aber uns geht es schlecht.

«Die Leute verloren das Vertrauen in die regierende Kaste», weiss Sudou. Sie sehnten sich nach einem neuen Gesicht.

Wir müssen den Leuten sagen, dass wir noch lange und hart arbeiten müssen, um aufzuholen.
Autor: Ewa Sudou Vizebürgermeisterin von Ustrzyki Dolne

Die Partei von Duda war im Karpatenvorland immer schon stark. Doch diesmal brach der Kandidat der Regierungspartei förmlich ein. Dem jungen, frischen Duda gelang ein geradezu sensationeller Sieg. Und einiges deutet darauf hin, dass seine Partei Recht und Gerechtigkeit diesen Herbst in Warschau nach acht Jahren wieder an die Macht kommen könnte.

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«Doch dann werden die Menschen im Karpatenvorland sie verantwortlich machen dafür, dass es ihnen immer noch schlechter geht als den Menschen in Warschau, Krakau oder Bayern», sagt die Vizebürgermeisterin. Ewa Sudou rät ihrer Partei darum jetzt schon zur Wahrheit: «Wir müssen den Leuten sagen, dass wir noch weit hinter Deutschland liegen und dass wir noch lange und hart arbeiten müssen, um aufzuholen.»

Das wären allerdings auch in Polen ganz neue Wahlkampftöne.

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