International - Proteste statt Party: Brasilianer wollen weniger WM
Fussball, Zuckerhut und Samba waren gestern. Seit in der Nacht die Proteste in Rio de Janeiro und Brasilia eskalierten, steht die Fussballnation Brasilien unter Schock. Doch woher kommt die plötzliche Gewalt?
Mehr als 200'000 Menschen waren aus Protest gegen die hohen Kosten der Fussball-WM 2014 und gegen Korruption auf die Strasse gegangen. Entzündet hatten sich die Demonstrationen an Preiserhöhungen für Bustickets.
«Doch das war nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat», sagte Tjerk Brühwiller, Korrespondent der NZZ in Brasilien, zu Radio SRF. Das Fass habe sich in den letzten Jahren mit Frust und Unmut über die Ausgabenpolitik der Regierung gefüllt.
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«Proteste könnten der Regierung gefährlich werden», Tjerk Brühwiller, Korrespondent der NZZ
03:26 min, aus SRF 4 News aktuell vom 19.06.2013.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 26 Sekunden.
Dass die Proteste exakt während des Confederations Cups stattfinden, ist kein Zufall. Allein die Generalprobe für die WM 2014 kostet 27,5 Milliarden Reais (12 Milliarden Franken).
Für zusätzlichen Unmut sorgen auch Zwangsumsiedlungen in Rio de Janeiro und
anderen WM-Spielorten wegen grosser Bauprojekte. Allein in Rio sind nach Angaben von WM-Gegnern 29'000 Menschen von Zwangsumsiedlung bedroht. 11'000 Menschen mussten ihre Unterkünfte bereits räumen.
«Weniger WM, mehr Schulen und Hospitäler»
Doch neben der Weltmeisterschaft und deren Kosten haben die Proteste auch eine soziale Komponente. So ist ausserhalb der Ballungsräume wie São Paulo oder Rio de Janeiro die medizinische Versorgung oft prekär. Es fehlt in den Krankenhäusern oft an Medikamenten, modernen Geräten und Ärzten. Die Regierung will tausende Mediziner aus Kuba holen, die in den ärmsten Regionen Brasilien eingesetzt werden sollen.
Schulen leiden oft unter Streiks. In einigen Gegenden Bahias hatten die Schüler ihren ersten Schultag in diesem Jahr erst im April. Das Problem: zu wenig Lehrer, zu niedrige Löhne. «Weniger WM, mehr Schulen und Hospitäler», lautete eine zentrale Forderung der Protestler.
Geringe Löhne, historisch hohe Korruption
Obwohl die Regierung in den vergangenen zwei Jahren mit milliardenschweren Sozialprogrammen 22 Millionen Menschen aus der extremen Armut holte, ist in Brasilien die Kluft zwischen Arm und Reich extrem. Menschen, die auf der Strasse leben, gehören zum Alltag.
Der Monats-Mindestlohn liegt nach regelmässigen Anhebungen derzeit bei 678 Reais (291 Franken). Doch dieser Betrag reicht nicht weit. Viele Brasilianer haben zwei oder drei Jobs, um sich über Wasser zu halten.
«Schluss mit der Korruption» ist eine Forderung, die bei keinem Protest fehlt. Brasilien leidet historisch unter Korruption und wird regelmässig von Skandalen über Vetternwirtschaft und Bestechung erschüttert.
Rousseff zeigt Verständnis
Brasiliens Präsidentin sieht ihr Land durch die Massenproteste gestärkt. «Die Grossartigkeit der Demonstrationen vom Montag haben die Energie unserer Demokratie bewiesen», sagte Dilma Rousseff. «Die Stimmen auf der Strasse rufen nach mehr Bürgerrechten, einem besseren Gesundheitswesen, urbaner Mobilität und anderen Dingen. Meine Regierung hat verstanden, dass sich die Ansprüche der Bevölkerung verändern.»
Damit meinte Rousseff aber ausdrücklich nicht die Randale vor dem Regionalparlament von Rio. Dessen Präsident, Paulo Mello, fand für die Attacken der Vermummten klare Worte. Er bezeichnete sie als «Akt des Terrorismus». Inzwischen richtet sich der Unmut allgemein gegen Korruption und die Milliardenausgaben der Regierung für die anstehenden Sport-Grossereignisse.
Elf Milliarden für Fussball-WM
In den kommenden Jahren jagt in Brasilien ein Grossereignis das nächste. Nach dem Confed-Cup findet Ende Juli in Rio de Janeiro der Weltjugendtag der katholischen Kirche statt.
Im kommenden Jahr ist Brasilien dann Gastgeber der Fussballweltmeisterschaft. Allein dafür sollen die Kosten rund 13,5 Milliarden Franken betragen. Zwei Jahre später sollen in Rio de Janeiro die Olympischen Spiele ausgetragen werden. Grössenwahn oder gelungene Selbstdarstellung? Für die Demonstranten der letzten Nacht liegt die Antwort auf diese Frage auf der Hand.
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