Bei der traditionellen Ansprache vor etwa 1000 Amts- und Würdenträgern im Moskauer Kreml hat Russlands Präsident Wladimir Putin den Ton im Streit mit der Türkei verschärft. Die türkische Führung werde den Abschuss der russischen Maschine noch «mehr als einmal» bereuen, sagte Putin einleitend zu seiner alljährlichen Rede zur Lage der Nation.
Russland werde nicht ignorieren, dass die Regierung in Ankara Terroristen beistehe, fügte er hinzu. Wer glaube, dass sich die Massnahmen gegen die Türkei auf Handelssanktionen beschränkten, irre sich.
Spekulation um Massnahmen
Weitere Angaben zu den Massnahmen machte der Kremlchef jedoch nicht. «Konkret hat Putin nur gesagt, dass man nach wie vor nicht militärisch gegen die Türkei vorgehen wolle», sagte Christof Franzen, SRF-Korrespondent in Moskau. Aber sonst werde hier weiter spekuliert. «Ein bekannter Politologe sagte heute im Radio, die Russen könnten zum Beispiel in Zukunft die syrischen Kurden unterstützen, die ja mit Präsident Erdogan im Clinch liegen.»
«Eine andere Möglichkeit wäre, die diplomatischen Beziehungen ganz abzubrechen, so wie man es seinerzeit mit Georgien getan hat», so Franzen. So weit sei man hier aber noch nicht. Zumindest hätten sich heute in Belgrad die Aussenminister der Türkei und Russland getroffen.
«Russland sollte sich einen solchen Handelskonflikt eigentlich nicht mehr leisten», sagte Franzen. Die Wirtschaft werde dieses Jahr um 4 Prozent schrumpfen, die Inflation betrage rund 15 Prozent. «Ein Grund für diese hohe Inflation sind die westlichen Sanktionen, aber vor allem auch die russischen Gegensanktionen. Und jetzt kommen noch die türkischen Sanktionen dazu.» Politisch könne sich Putin ein solches Vorgehen aber leisten. Die Umfragewerte zeigten eine grosse Unterstützung für seine Aussenpolitik.
Putin wirft Türkei Geschäft mit dem IS vor
Putin wirft dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und seiner Familie vor, von illegalen Ölgeschäften mit der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu profitieren.
«Wir wissen, dass sich die Türkei die Taschen füllt und Terroristen erlaubt, mit gestohlenem Öl Geld zu verdienen,» sagte der russische Präsident in seiner Rede. «Mit diesem Geld rekrutieren diese Verbrecher Söldner, kaufen Waffen und lancieren grausame Terror-Attacken gegen unsere Bürger, jene von Frankreich, Libanon, Mali und anderen Ländern», so Putin.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wies zwischenzeitlich die Vorwürfe Moskaus über angebliche Ölgeschäfte seiner Familie mit dem IS zurück. «Meine Familie mit hineinzuziehen, ist eine nicht sehr moralische Seite dieser Angelegenheit», sagte Erdogan. Die Türkei habe Belege dafür, dass der grösste Ölhändler mit dem IS ein russisch-syrischer Staatsbürger sei.
Erdogan wiederholte seine Ankündigung, er werde zurücktreten, sollte Russland belegen können, dass die Türkei Öl mit dem IS handele.
Angespanntes Verhältnis
Die Beziehungen zwischen den Regierungen in Ankara und Moskau sind durch den Abschuss eines russischen Jets durch die türkische Luftwaffe im Grenzgebiet zu Syrien vor einer Woche erheblich belastet. Die russische Maschine verletzte nach türkischer Darstellung den Luftraum.
Russland hat dagegen erklärt, das Flugzeug sei nur in Syrien geflogen. Putin verlangt eine Entschuldigung der Türkei, die diese bislang ablehnt. Inzwischen hat Russland Wirtschaftssanktionen gegen das Nato-Land erlassen.