Die EU verhängt Wirtschaftssanktionen, Moskau schlägt zurück: Seit dem 7. August sind für ein Jahr Importe von Fleisch, Fisch, Milchprodukten, Obst und Gemüse aus den USA, der EU, Kanada, Australien und Norwegen verboten.
Zuvor war der russische Bedarf an Lebensmitteln wie Fisch, Milch, Rindfleisch und Käse zu rund 50 Prozent aus Einfuhren gedeckt worden. Darunter leiden viele europäische Nahrungsproduzenten. Bei einem Sondertreffen am 8. September wollen die europäischen Landwirtschaftsminister über die Folgen der russischen Sanktionen beraten.
Europäische Obstbauern unter Druck
In Frankreich trifft das von Russland verhängte Embargo die Bauern im dümmsten Moment, wie SRF-Korrespondent Charles Liebherr berichtet. Die Obst- und Gemüseernte laufe auf Hochtouren. 2,5 Millionen Tonnen Obst- und Gemüse exportiere das Land jedes Jahr, zehn Prozent davon gingen nach Russland. Damit sei Russland hinter den USA der wichtigste Exportmarkt, so Liebherr.
Auch Fleisch, Fisch, Milch und Käse aus französischer Produktion würden nun auf dem europäischen statt dem russischen Markt landen. Mit Konsequenzen für die Preise, wie der Präsident des grössten französischen Bauernverbandes, Xavier Beulin, sagt: «Sie werden in den Keller fallen.» Er fordert daher die Franzosen auf, einheimische Produkte zu kaufen.
In Österreich fürchten vor allem die Apfel-Bauern um ihren Absatz. Die Einbussen sollen durch verstärkten heimischen Apfel-Verzehr gemildert werden. «Wenn jeder einen Apfel pro Woche mehr isst, dann können wir diesen Marktausfall im Obst- und Gemüsebereich schliessen», sagte Österreichs Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) im Ö1- «Morgenjournal». Zuletzt war in Polen mit dem Slogan «Iss Äpfel gegen Putin!» auf die von Moskau gegen europäische Länder verhängten Strafmassnahmen reagiert worden.
Die Exporteure in den Niederlanden kostet der Importstopp mindestens 300 Millionen Euro. Diese Schätzung gab das niederländische Statistikamt am Dienstag bekannt. Demnach wurden 2013 Lebensmittel im Wert von 500 Millionen Euro nach Russland verkauft, von Obst über Gemüse bis Molkereiprodukte. Diese Ausfuhren hätten für die Unternehmen etwa 300 Millionen Euro an Gewinnen gebracht. Die Niederlande sind der weltweit zweitgrösste Exporteur landwirtschaftlicher Produkte.
Russlands Nachbarn auf der Gewinnerseite – ausser Norwegen
Auf der anderen Seite dürften unter anderem Russlands Nachbarländer von den Gegensanktionen profitieren. Einige Produkte, die bisher direkt nach Russland geliefert wurden, würden nun erst in den Nachbarstaaten verarbeitet, hiess es von Seiten der russischen Regierung.
Dies kommt neben Kasachstan auch Weissrussland zugute: «Die Menschen in Russland kennen die weissrussischen Lebensmittel und schätzen sie», sagt Julian Hans, Russland-Korrespondent des Tagesanzeigers und der Süddeutschen Zeitung.
Zudem würden bereits jetzt importierte Lebensmittel von Weissrussland nach Russland gelangen, etwa Kokosnüsse, Tintenfische, Bananen oder Zitronen.Laut Experten könnten diese «Re-Importe» bis zu 20 Prozent der Import-Ausfälle Russlands wettmachen.Der schwächelnden Wirtschaft Weissrusslands dürfte dies Aufschwung geben, sagt Hans. «Davon kann Präsident Alexander Lukaschenko politisch profitieren.»
Anders der Nachbar Norwegen, der sich den EU-Sanktionen angeschlossen hat und darum vom russischen Importstopp betroffen ist: «Norwegen ist einer der grössten Exporteure von hochwertigen Fischprodukten wie Lachs oder Königskrabben nach Russland», sagt Skandinavien-Korrespondent Bruno Kaufmann. Diese Exporte seien nun nicht mehr möglich. «Das bedeutet sehr grosse Ausfälle für Norwegens Fischereiwirtschaft.»
Auf der anderen Seite liefert Norwegen wegen den EU-Sanktionen keine Technologie zur Öl- und Gas-Förderung mehr nach Russland – was beide Seiten trifft. «Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Norwegen und Russland ist generell sehr eng», sagt Kaufmann. «Wer unter dem Strich mehr Schaden davonträgt, ist momentan nicht abzuschätzen.»
In einer Zwickmühle befindet sich Serbien: Als EU-Kandidat will es Brüssel nicht verstimmen. Die Europäische Union ist Serbiens wichtigster Handelspartner. Aber ebenso wenig will Serbien auf die guten Geschäfte mit dem befreundeten Russland verzichten. Das Freihandelsabkommen mit Russland prädestiniert das Land für die Umgehung des Importverbots, weiss Südosteuropa-Korrespondent Walter Müller. Die Absichtserklärung des serbischen Handelsministers, jegliche Umgehungsgeschäfte zu unterbinden, beruhige die EU-Behörden jedoch nicht. Am Freitag warnten die EU-Aussenminister, das von Russland verhängte Import-Embargo nicht ungebührlich auszunutzen.