Ein oder mehrere Angreifer haben am Vormittag das Parlamentsgebäude der kanadischen Hauptstadt Ottawa überfallen und zahlreiche Schüsse abgefeuert. Ein Angreifer schoss dabei kurz vor 10 Uhr Ortszeit einen Wachsoldaten nieder. Er wurde schwer verwundet und starb drei Stunden später im Spital.
Arbeitsminister Jason Kenney kondolierte über Twitter der «Familie des getöteten Soldaten» und erklärte, er bete für den verwundeten Wachmann am Parlamentsgebäude. «Kanada wird sich nicht terrorisieren oder einschüchtern lassen», erklärte Kenny.
Das Krankenhaus bestätigte die Einlieferung von drei Patienten, von denen zwei in stabilem Zustand seien.
Verfolgungsjagd im Parlamentsgebäude
Augenzeugen sahen einen bewaffneten Mann von der Polizei verfolgt in das Gebäude rennen. Dabei kam es zu heftigen Schusswechseln. Nach Polizeiangaben hatte sich der Täter im Parlamentsgebäudes verschanzt. Die Polizei sucht aber inzwischen offenbar nach bis zu drei Angreifern.
Der Fernsehsender CBC meldete, mindestens einer der Angreifer sei beim Schusswechsel mit der Polizei getötet worden. Die Polizei bestätigte, dass ein Schütze tot sei. Unklar blieb, ob er Komplizen hatte. Im Parlamentsgebäude fielen nach Angaben von Augenzeugen mehr als 20 bis 30 Schüsse bei der Jagd nach den Attentätern.
Parlament und Regierungssitz abgeriegelt
Das Parlament sowie der Regierungssitz im Zentrum Ottawas sind inzwischen von der Polizei abgeriegelt. Gepanzerte Fahrzeuge und schwer bewaffnete Polizisten gingen vor dem Gebäude in Stellung.
Kanadas Premierminister Stephen Harper war während der Schiesserei im Parlamentsgebäude. Er wurde in Sicherheit gebracht. Einige Parlamentarier twitterten, dass während der Sitzung etwa 30 Schüsse zu hören gewesen seien. Sie seien sicher, aber in Angst, hiess es in mehreren Nachrichten. Sie hatten sich teilweise in Sitzungszimmer verbarrikadiert.
Schüsse beim National War Memorial
Der Parlamentshügel ist üblicherweise frei zugänglich, Tausende Touristen lassen sich jeden Tag mit den Wachsoldaten fotografieren.
Das Denkmal für die Kriegstoten steht im Parlamentspark, nur durch eine Strasse vom Parlamentsgebäude getrennt. Die Ehrenwache ist zwar bewaffnet, die Sturmgewehre sind aber gesichert und dienen rein repräsentativen Zwecken. Das Denkmal wurde 1939 für die Toten des Ersten Weltkrieges eingeweiht, dient inzwischen aber auch dem Gedenken für die Opfer anderer Kriege.
Die Sicherheitsstufe vor dem Angriff auf das kanadische Parlament war nach Angaben der Polizei auf mittlerem Niveau. «So ist sie seit Jahren und wir hatten keine Hinweise, die eine Verschärfung nötig gemacht hätten», sagte Gilles Michaud von der Royal Canadian Mounted Police am Mittwoch in Ottawa.
Einkaufszentrum abgesperrt
Kurz nach dem Angriff im Regierungsviertel hat die Polizei auch ein in der Nähe gelegenes Einkaufszentrum für eine Zeitlang vollständig abgesperrt. Diese Absperrung sei nun wieder aufgehoben worden, teilten die Leitung des Einkaufszentrums auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit.
Entgegen ersten anders lautenden Meldungen stellte die Polizei jetzt klar, dass es in dem Einkaufszentrum nicht zu einer Schiesserei gekommen war.
Islamistischer Terroranschlag?
Erst am Montag hatte ein der Polizei bekannter Islamist in Montréal, in der Provinz Quebec zwei Soldaten mit dem Auto überfahren und einen von ihnen getötet, bevor der Täter von der Polizei erschossen wurde.
Unklar bleibt, ob radikale Islamisten auch hinter dem Angriff auf das Parlament standen und ob es einen Zusammenhang zwischen den beiden Taten gibt. Die Polizei wollte den Verdacht, dass Islamisten dahinter steckten, nicht bestätigen. Kanada beteiligt sich im Irak an den Luftangriffen des von den USA geführten Bündnisses auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Nach Angaben von US-Regierungsmitarbeitern gab es zunächst keine Hinweise auf politische Extremisten. In Medienberichten wird spekuliert, dass es sich beim mutmasslichen Attentäter um einen Kanadier handeln könnte, der bereits im Visier der Behörden war.