Scharfschützen beziehen auf den Dächern rund um den Tagungsort Stellung, eine Hundestaffel der Polizei ist im Einsatz. Sicherheitskontrollen wie am Flughafen werden durchgeführt. Eine Gruppe Kameraleute richtet ihr Equipment in Richtung Haupteingang mit blauem Teppich aus. Das Fünf-Sterne-Hotel «Bayrischer Hof» gleicht an diesem Wochenende im Februar von aussen einer Festung.
Innen wimmelt es von Männern in Anzügen in den üblichen blau-grauen Schattierungen, dazwischen wenige Frauen. Es ist wieder Sicherheitskonferenz in München.
Unterwegs auf diplomatischem Parkett
Die Sicherheitskonferenz bietet die diplomatische Bühne zum Dialog für Politiker, Militärs, Lobbyisten und deren Entourage. Bundesrat Guy Parmelin vertritt hier die Schweiz.
Denn die Krisen und Konflikte dieser Welt lösen, wer will das nicht? Aber welche zuerst? Und wie?
Die dominierenden Themen, über die die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen oder der saudi-arabische Aussenminister Adel al-Dschubeir im umgebauten Ballsaal des Hotels diskutieren: der Krieg in Syrien, die Terrorgefahr und die Sicherheit Europas und natürlich die Flüchtlingspolitik. Bereits nach den ersten Vorträgen stellt sich Konferenzroutine ein, Mobiltelefone werden gezückt.
In den oberen Stockwerken des «Bayrischen Hofs» werden Hotelzimmer für Hintergrundgespräche zu Sitzungszimmern umfunktioniert. Um dort als Pressevertreterin hinzugelangen, wird mir ein Begleiter zur Seite gestellt. Der dicke Hotelteppich verschluckt unsere Schritte. Auch hier die Themen: die russischen Bombardements in Syrien, die weltweite Sicherheitsarchitektur, die hohe Zahl der Flüchtlinge, die nach Europa kommen. Und auch hier wird viel geredet. Die Umsetzung aber, die muss anderswo geschehen.
Markige Worte und unverhohlene Wut
Die schrillen Töne des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad im Interview mit der französischen Nachrichtenagentur AFP beeindrucken mehr die Presse als die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz. Der Schlüssel zur Lösung im Syrien-Krieg liege schliesslich in Moskau und nicht in Damaskus.
Dementsprechend gespannt wird der Auftritt von Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew erwartet. Auch dieser hatte sich präzis zur Eröffnung der Konferenz mit einem Interview vorab zu Wort gemeldet. Im Gespräch mit der deutschen Zeitung «Handelsblatt» warnt er vor einem dritten Weltkrieg, sollten in Syrien Bodentruppen anderer Länder zum Einsatz kommen.
In seiner Rede am Samstagvormittag bleibt Medwedew bei der Kriegsrhetorik, er warnt vor einer «neuen Periode des Kalten Kriegs». Im Konferenzsaal herrscht Stille und einige Teilnehmer fühlen sich zurück versetzt ins Jahr 2007, als der russische Präsident Wladimir Putin einen ähnlichen Auftritt auf der gleichen Bühne hatte.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kritisiert die russischen Drohgebärden bereits im Vorfeld scharf. In der anschliessenden Diskussionsrunde platzt dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko fast der Kragen ob der russischen Haltung. Andere Länder- und Interessenvertreter wählen leisere Töne oder jene Mittel der stillen Diplomatie abseits von Medien und Öffentlichkeit.
Was nicht Gegenstand der Gespräche vor und hinter den Kulissen ist, ist eine der wichtigsten Nachrichten für das transatlantische Familientreffen: Der amerikanische Verteidigungsminister Ashton Carter kündigte am 2. Februar die Vervierfachung der US-Verteidigungsausgaben in Europa an – dies sei notwendig angesichts der «russischen Aggression».
Gegen Aufrüstung und Krieg
Die Bühne der Gegner der Sicherheitskonferenz ist die Münchner Innenstadt. Eine amerikanische Touristin sieht die Regenbogenfahnen und hält die Gegenveranstaltung deshalb zunächst für eine Demonstration für die Rechte Homosexueller.
Dann reckt ein Aktivist ein Plakat mit markigem Spruch in die Luft: «Menschheitsfeind Nato eliminieren – God save Putin, Assad, Snowden». Die rund 2000 Teilnehmer setzen sich langsam in Bewegung in Richtung Tagungsort, um dort ihrem Anliegen gegen Aufrüstung und Krieg Gehör zu verschaffen.
Die zwei jungen Polizistinnen, die am Eingang zum «Bayrischen Hof» die Presseakkreditierungen überprüfen, scheren sich herzlich wenig um das diplomatische Parkett und die Blockkonstellation mit politischen und militärischen Vertretern auf der einen Seite und Aktivisten auf der anderen Seite. Sie freuen sich über die vergleichsweise milden Temperaturen an diesem Wochenende in München.