In der Ostukraine verschärft sich die Lage wieder, stellt die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) fest. Regierungstruppen und Separatisten lieferten sich täglich Kämpfe, es gebe jeden Tag Opfer. Und das einem Konflikt, in dem eigentlich gemäss dem Minsker Friedensabkommen Waffenruhe herrschen sollte.
SRF-Russland-Korrespondent Christof Franzen ist ins Separatistengebiet gereist und konnte sich einen Überblick über die undurchsichtige Lage verschaffen. Dort kam gestern Abend auch ein Hilfskonvoi aus der Schweiz an. Franzen erklärt, warum es ausgerechnet der Schweiz gelang, das heikle Unterfangen zu meistern.
SRF News: Beobachten Sie, dass sich die Lage verschlechtert?
Christof Franzen: Für mich ist es schwierig eine Tendenz zu bestimmen. Ich kann aber bestätigen, dass hier gekämpft wird. Gestern Abend und über die Nacht waren immer wieder Artilleriewaffen zu hören. Ich war gestern auch in der Region Luhansk. Dort waren die Menschen sehr wütend, berichteten von Toten – und eben auch von regelmässigen Artilleriegefechten. Auch am Flughafen Donezk scheint der Stellungskrieg weiterzugehen.
Die OSZE spricht konkret von «Spannungen». Würden Sie wiederum sagen, der Bürgerkrieg sei neu ausgebrochen?
Man muss vorsichtig sein mit solchen Begriffen. Ist es ein Bürgerkrieg oder aber eine russische Aggression? Ich würde nicht von einem vollumfänglichen Bürgerkrieg sprechen. Für die Menschen hier spielt das aber keine Rolle. Die grosse Mehrheit hat einfach die Nase voll. Sie wollen endlich eine politische Lösung. Wie diese aussieht, ist für die meisten eigentlich egal; sie wollen Frieden, und ihr normales Leben zurück.
Mitten in dieser Situation hat ein Hilfskonvoi aus der Schweiz die Konfliktregion erreicht. Es ist der zweite seit Mai mit etwa 300 Tonnen Hilfsgütern. Was wissen Sie über die Anreise des Konvoi?
Die fünfzehn Lastwagen mit den Hilfsgüter sind erfolgreich angekommen. Es sind vor allem chemische Produkte zur Wasserreinigung, die hier dringend gebraucht werden. Aber auch Medikamente, beispielsweise zur Krebsbehandlung. Soweit lief also alles gut. Man hatte bereits vor der Waffenstillstandsinie in der Ukraine Material verteilt. Über die Grenze zu gelangen erwies sich dann als schwer. Nach mehrstündigen Verhandlungen hat das schlussendlich geklappt und die Hilfsgüter konnten verteilt werden.
Die Menschen wollen ihr normales Leben zurück
Es gibt Berichte, wonach tausende Menschen von der Wasserversorgung abgeschnitten sein sollen. Können Sie das bestätigen?
Inwieweit Menschen ganz abgeschnitten sind von der Wasserversorgung, kann ich nicht abschliessend beurteilen. Aber es gibt grosse Schwierigkeiten, vor allem mit sauberem Wasser. Als wir gestern in Luhansk waren, sagte uns auch der Bürgermeister, dass er froh um die chemischen Erzeugnisse zur Wasserreinigung wäre. Man sah auch Menschen, die sich mit Kanistern Wasser an Brunnen holten. Das Problem wurde auch durch die ukrainische Blockade-Politik verschärft. Man hat die Wasserlieferungen in die Region teilweise eingestellt.
Welche Mission haben die Schweizer Hilfskonvois?
Hinter der Lieferung steht sicher auch ein politisches Zeichen. Die Schweiz wollte zeigen, dass solche humanitären Transporte möglich sein müssen – und dass die Blockade-Politik Grenzen haben muss. Man sieht sich hier auch in der Vorreiterrolle.
Warum ist es nun wieder der Schweiz gelungen, Hilfslieferungen durchzuschleusen?
Einerseits war der absolute Willen der Schweiz da. Man hat sich intensiv vorbereitet, und auch darauf geachtet, dass man beiden Seiten Material liefert – also nicht nur den von Russland unterstützten oder besetzten Gebieten. Und man profitiert auch von der letztjährigen Präsidentschaft der OSZE, in der Aussenminister Didier Burkhalter eine wichtige Rolle spielte. Die Schweiz wurde sehr gelobt für ihre Rolle und profitiert bis heute von den guten Beziehungen und dem Image, das sie sich aufgebaut hat.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.