Bei der Regionalwahl in der nordostspanischen Region Katalonien haben die Unabhängigkeitsbefürworter die absolute Mehrheit errungen. Das Bündnis Junts pel Sí (Gemeinsam für das Ja) kommt auf 62 Sitze im Regionalparlament. Die linke Unabhängigkeitsbewegung CUP errang zehn Sitze. Mit 72 der 135 Sitze im Parlament stellen die Unabhängigkeitsbefürworter gemeinsam künftig die absolute Mehrheit. Allerdings verpassten die Separatisten mit zusammen 47,8 Prozent die Mehrheit der Wählerstimmen.
Gewonnen oder verloren?
«Wir haben gewonnen», sagte der katalanische Regierungschef Artur Mas nach der Wahl. Er hatte versprochen, bei einer Parlamentsmehrheit innerhalb von 18 Monaten die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien einzuleiten. «Das Wahlergebnis gibt uns die Kraft, den Prozess (einer Abspaltung Kataloniens von Spanien) fortzusetzen», sagte Mas.
Ganz anders tönte es bei der konservativen Zentralregierung Spaniens von Ministerpräsident Mariano Rajoy. Mas sei mit seinem separatistischen Vorhaben gescheitert, hiess es von dort. Der sozialistische Madrider Oppositionsführer Pedro Sánchez sagte: «Die Separatisten haben die Wahl verloren.»
Neben der fehlenden Mehrheit der Wählerstimmen hat Regierungschef Mas ein weiteres Problem: Die CUP tritt zwar wie er für eine Abspaltung Kataloniens von Spanien ein. Die Linkspartei hat bislang jedoch eine Wiederwahl des Liberalen Mas zum Regierungschef strikt abgelehnt.
Kein symbolisches Plebizit für die Unabhängigkeit
SRF-Auslandredaktor Martin Durrer kommt denn auch zum Schluss, dass sich Artur Mas kaum richtig über den Wahlsieg freuen könne. Erstens habe er sein Ziel verfehlt, mit seiner Einheitsliste allein die absolute Mehrheit im Partei zu erreichen. Und zweitens kam an der Urne kein separatistisches Volksmehr zustande: «Damit ist auch das symbolische Plebiszit für die Unabhängigkeit Traum geblieben», bilanziert Martin Durrer.
Unabhängigkeit widerspreche der Verfassung
Die Zentralregierung in Madrid machte wiederholt deutlich, eine Abspaltung Kataloniens unter keinen Umständen zuzulassen. Dabei verwies sie auf die spanische Verfassung, in der die Einheit der Nation festgeschrieben sei. Bereits im November 2014 verhinderte Madrid mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht eine Unabhängigkeitsabstimmung in Katalonien.
Während des Wahlkampfs riefen Ministerpräsident Rajoy und andere führende spanische Politiker wiederholt zur Einheit Spaniens auf und forderten, den Unabhängigkeitsbefürwortern eine Niederlage zuzufügen.
Ohne EU und Euro
In einer – im Schnellverfahren verabschiedeten – Reform erteilte Madrid den Verfassungsrichtern kürzlich die Befugnis, den katalanischen Regierungschef notfalls seines Amtes zu entheben, falls dieser sich über die Urteile des Gerichts hinwegsetzt.
Auch spanische Banken und Sparkassen machten gegen die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen Front. Spaniens Notenbankchef Luis Linde warnte, Katalonien werde im Fall seiner Abspaltung den Euro und die EU-Mitgliedschaft verlieren. Mas entgegnete darauf, dass Katalonien dann seinen Anteil der spanischen Schulden nicht zurückzahlen werde.
Katalanische Fahnen an Gebäuden
Zweitstärkste Kraft bei den Regionalwahlen in Katalonien wurde die liberale, prospanische Partei Ciutadans mit 25 Sitzen. Die ebenfalls prospanischen Sozialisten kamen auf 16 Sitze. Die konservative Volkspartei von Rajoy, die in Katalonien tradtionell keine bedeutende Rolle spielt, errang 11 Sitze.
Am Wahltag waren in der katalanischen Hauptstadt Barcelona viele Gebäude mit der Fahne Kataloniens geschmückt. Die autonome Region mit 7,5 Millionen Einwohnern ist stolz auf ihre eigene Sprache und Kultur und sieht sich von der Zentralregierung in Madrid gegängelt.
Wirtschaftlich starkes Katalonien
Katalonien, dessen Einwohner etwa 16 Prozent der Gesamtbevölkerung Spaniens ausmachen, erwirtschaftet etwa ein Fünftel des spanischen Bruttoinlandprodukts und kommt für rund ein Viertel der Exporte auf. Die Befürworter der Unabhängigkeit beklagen, dass die an Madrid abzuführenden Steuern grösstenteils nicht zurückfliessen würden, sondern strukturschwächeren Regionen des Landes zugute kämen.
Besonders laut wurden die Rufe nach staatlicher Souveränität im Zuge der Finanzkrise und der im Jahr 2008 geplatzten Immobilienblase in Spanien. Die Arbeitslosenrate in Spanien liegt gegenwärtig nach amtlichen Angaben bei mehr als 22 Prozent, bei der Jugend ist sie gut doppelt so hoch.
Zwar hatte sich Katalonien im Jahr 2006 schon zur «Nation» erklärt, doch das spanische Verfassungsgericht erkannte der Region diesen Status 2010 wieder ab.