15 Jahre sind es nun her, seit Kroatien beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag eine Klage gegen Serbien eingereicht hat. Das Land machte darin geltend, Serbien habe mit seinen ethnischen Säuberungsaktionen in den Kriegen anfangs der 1990er Jahre gegen die Völkerrechtskonvention verstossen.
Kroatien möchte vor dem höchsten UNO-Gericht erwirken, dass Serbien für die Kriegsverbrechen während des Balkankonfliktes verurteilt wird und Schadenersatz bezahlen muss. Die Anwälte beider Länder werden in den kommenden Wochen ihre Sicht der Dinge erläutern. Zudem sollen mehrere Zeugen vor dem Gericht aussagen.
Richter liest Anklage vor
Der vorsitzende Richter brauchte am Montagmorgen eine gute Viertelstunde, um die langwierige Geschichte der Völkermordklage Kroatiens gegen Serbien zu erläutern. Im Schnellzugtempo las er vor, welche Eingaben und Gegeneingaben die beiden Länder in den letzten 15 Jahren eingereicht haben.
Dann kam die Vertreterin von Kroatien zu Wort: Kroatien glaube an die Rechtsstaatlichkeit und sei sich sicher, dass eine Entscheidung des Gerichts den Frieden und Stabilität in der Region bestärken und zum Heilungsprozess aller Beteiligten beitragen werde, sagte sie.
Schuldspruch eher unwahrscheinlich
Viele Beobachter bezweifeln, dass Kroatien eine Chance hat, diese Klage zu gewinnen. Einerseits hat in Kroatien kein Massaker stattgefunden, wie damals 1995 auf bosnischem Territorium in Srebrenica. Andererseits hat der Internationale Gerichtshof bereits 2007 eine ähnliche Klage von Bosnien gegen Serbien abgewiesen.
Die Richter urteilten damals, Serbien sei für den Völkermord nicht verantwortlich. Allerdings rügten sie, dass Belgrad das Massaker von Srebrenica nicht verhindert habe.
Das Interesse der serbischen Bevölkerung ist klein, wie SRF-Korrespondent Walter Müller in Belgrad sagt. «Viele sagen sich, der Überlebenskampf in der Gegenwart ist schon hart genug, was soll ich mich also um die Vergangenheit kümmern», so Müller. Auch die Medien würden über den Prozess nur wie über einen «drittklassigen Fussballmatch» berichten.
Auch Kroatien angeklagt
Im jetzigen Verfahren geht es aber nicht nur um das kroatische Anliegen. Serbien reichte vor vier Jahren eine Gegenklage ein, auch diese wird jetzt behandelt. Darin geht es unter anderem um die Vertreibung der serbischen Bevölkerung aus der ostkroatischen Region Kraijna.
Ob Kroatien und Serbien bei ihren ursprünglichen Forderungen bleiben, wird erst in den Schlussplädoyers im April deutlich werden. Danach dauert es mehrere Monate bis die Richter ihren Entschluss bekanntgeben.
Urteil zur Aufarbeitung der Vergangenheit
SRF-Korrespondent Müller sagt, dass sowohl Belgrad als auch Zagreb versuchten, einen möglichen Schaden für die Beziehungen aufgrund des Prozesses zu verhindern. «Der gegenseitige Wille scheint vorhanden zu sein.» Dennoch sei eine erneute Verschlechterung des Verhältnisses nicht auszuschliessen.
Der ganze Prozess und ein Urteil seien aber nötig, um die Geschichte aufzuarbeiten. «Hoffentlich wird durch die Verhandlung klar, was wirklich geschehen ist», sagt Müller. Künftige Generationen der beiden Länder könnten so etwas unbeschwerter mit der Vergangenheit umgehen.