Noch nie gab es auf dem Markt in Mossul so günstig Sturmgewehre zu kaufen. Grund für den Preissturz: Das Angebot übersteigt die Nachfrage um ein Vielfaches. Bevor sich die dort stationierten irakischen Soldaten aus dem Staub gemacht hatten, verscherbelten sie ihre Berettas und M16 an die Standbetreiber.
Die Armeeangehörigen in die Flucht getrieben hat eine Gruppe, die sich Isis nennt. Doch mit der mütterlichen Göttin aus der ägyptischen Mythologie haben diese maskierten Männer mit ihren schwarzen Flaggen nichts zu tun. Isis steht für Islamischer Staat im Irak und Syrien. Ihre Mitglieder sind radikale Islamisten, ihr Ziel: ein Kalifat von Bagdad bis zur syrischen Mittelmeerküste.
Bagdad im Visier
Schon im Januar hatte der al-Kaida-Ableger Falludscha eingenommen, diese Woche fiel mit Mossul die zweitgrösste irakische Stadt. Zweieinhalb Jahre nach dem US-Truppenabzug vertrieben 800 Terroristen praktisch ohne Gegenwehr über 30'000 Armeeangehörige – für die Machthaber in Bagdad und ihre Verbündeten in Washington eine Katastrophe. Und es kommt noch schlimmer. Übers Radio soll die Isis verbreitet haben, dass als nächstes die Hauptstadt gestürmt werden solle: «Schnallt die Gurten an und macht Euch bereit!»
Isis ging aus der 2003 gegründeten Gruppe «Tawhid und Dschihad» hervor, deren Mitglieder Attentate auf US-Soldaten, Schiiten und Christen im Irak verübten. Erster Anführer war der Jordanier Abu Mussab al-Sarkawi, auf den die USA ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar ausgesetzt hatten. 2006 wurde der für seine Grausamkeit berüchtigte «Topterrorist» von den US-Streitkräften getötet.
Spenden aus den Golfstaaten
Seit Mai 2010 leitet der Iraker Abu Bakr Al-Bagdadi die Isis. Über den Mann gibt es kaum Informationen, im Netz kreisen nur zwei Aufnahmen von ihm. Deshalb sein Übername: Geist. Er gilt als skrupellos, seine Gefangenen erschiesst oder enthauptet er und stellt die Videos zur Abschreckung ins Internet. Experten gehen davon aus, dass sich Al-Bagdadi in Syrien aufhält, wo die Isis seit 2013 gegen die dortige Führung unter Baschar al-Assad und andere Rebellengruppen kämpft.
Finanziert wird die Isis vor allem durch Spenden aus den Golfstaaten Katar und Saudi-Arabien. Einnahmen generiert die Gruppe auch durch das Erheben von Wegzöllen entlang der Grenzen zwischen Irak und Syrien. Zu den rund 10'000 Kämpfern zählen auch Muslime aus Nordafrika und den arabischen Golfstaaten sowie Konvertiten aus Europa und Nordamerika.