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Tschechien: Neuer Pass für Transmenschen nur bei Sterilisierung
Aus Rendez-vous vom 17.04.2024. Bild: Reuters/PETR DAVID JOSEK
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Transmenschen in Tschechien Der Weg zur Geschlechtsanpassung in Tschechien ist blutig

Wer in Tschechien im Pass sein Geschlecht ändern will, muss sich sterilisieren lassen. Das verstösst gegen die Menschenrechte.

Bart, Stirnglatze, Bassstimme. Niemand käme auf die Idee, Viktor Heumann könnte kein Mann sein – solange der 45-Jährige seinen Ausweis nicht zeigen muss. «Ich habe immer noch ein ‹F› in meinen Dokumenten und eine Geburtsnummer, die mich als weiblich identifiziert. In meinen Papieren steht mein ehemaliger weiblicher Name.»

Das schafft immer wieder Probleme. Zum Beispiel, wenn Heumann auf der Post einen eingeschriebenen Brief abholt. Und jedes Mal, wenn er ein Auto mietet oder in ein Hotel eincheckt, muss er sich als Transmann outen. «Das ist unangenehm und diskriminierend», sagt Heumann.

Ein Mann mit einer Mütze lehnt an einem Baum.
Legende: Viktor Heumann (im Bild) betrachtet die vorgeschriebene Sterilisation als unethisch. ZVG

Er würde gerne Namen und Geschlecht in seinen Dokumenten ändern, so der Direktor von Trans*parent. Die Organisation setzt sich für die Rechte von Transmenschen ein.

Ohne Sterilisierung kein neuer Pass

In der Schweiz würde er zur Einwohnerkontrolle gehen und sich als Mann deklarieren. In Tschechien ist der Weg zu einer rechtlichen Geschlechtsanpassung hingegen lang und blutig. Zunächst bräuchte Heumann die Zustimmung einer Ärztin, dann das Ja einer staatlichen Kommission, und schliesslich müsste er sich in einer Operation Gebärmutter und Eierstöcke entfernen lassen.

Tschechien ist das westlichste der vier EU-Länder, in denen eine Sterilisierung immer noch Voraussetzung ist, um im Pass das Geschlecht ändern zu lassen. «Ich habe die Operation nicht gemacht, weil ich keinen Grund dafür sehe – keinen persönlichen und auch keinen medizinischen», sagt Heumann. «Das ist unethisch.»

Karel Pavlica hat anders entschieden. Der Transmann sagt, er habe als junger Erwachsener sehr gelitten in den vielen Situationen, in denen er sich als biologisch weiblich outen musste. Und so hat er sich schon vor zwanzig Jahren, mit 23, für eine rechtliche Geschlechtsanpassung entschieden – inklusive Unterleibsoperation.

«Damals dachte ich einfach: ‹Ich muss das jetzt tun›. Aber inzwischen habe ich viel darüber nachgedacht. Und heute macht es mich wütend. Du kannst nie mehr eigene Kinder haben. Und um unerwünschte Folgen der Operation zu verhindern, musst du Hormone schlucken, bis du stirbst.»

Vom Staat so jung zu einem so weitreichenden Eingriff gedrängt zu werden, nur weil man auf dem Papier den Namen und eine Nummer ändern wolle, das sei unethisch.

Zwang zur Sterilisation verstösst gegen Menschenrechte

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sieht das so. Das Strassburger Gericht urteilte 2017, dass der Zwang zu einer dauerhaften Sterilisation gegen die Menschenrechte verstösst.

Seit dem Urteil hat es in Tschechien mehrere Anläufe gegeben, die Sterilisation als Voraussetzung für eine Geschlechtsanpassung in den Dokumenten abzuschaffen. «Aber das scheitert immer wieder an den mächtigen konservativen Kräften in der tschechischen Politik», sagt Aktivist Viktor Heumann.

«Es geht zu viel um Geschlechtsorgane»

«Die tschechische Gesellschaft ist insgesamt toleranter geworden gegenüber Transmenschen», glaubt Heumann. Aber immer noch drehe sich zu viel um Geschlechtsorgane.

Dabei sei es für ihn und viele andere Transmenschen gar nicht so zentral, wie es da unten aussehe. Wichtiger sei, dass sie sich durch die Welt bewegen könnten, wie sie sich selbst sähen, als Frau, als Mann oder als nichtbinäre Person. Dazu brauche es Papiere, die der Selbstwahrnehmung entsprächen. Aber es brauche keine erzwungenen Operationen.

Rendez-vous, 17.04.2024, 12:30 Uhr

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