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Andrej Babis
Legende: Tschechiens Agrar-Milliardär Andrej Babis würde den Staat wie ein Unternehmen führen. Keystone

International Tschechien wählt – ein Milliardär mischt mit

Bei den Wahlen in Tschechien fällt die noch junge Bewegung des Milliardärs Andrej Babis besonders auf: ANO, die Aktion beunruhigter Bürger. Der selbsternannten «Anti-System-Partei» werden auf Anhieb bis zu 15 Prozent der Stimmen zugetraut – mit unabsehbaren Folgen.

Wählen bis 14 Uhr

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Um die 200 Sitze im Abgeordnetenhaus bewerben sich fast 5 900 Kandidaten – ein Rekord.Am Freitag haben etwa 40 Prozent der rund 8,4

Millionen Wahlberechtigten gewählt. Die Wahllokale haben noch bis 14.00 Uhr

geöffnet. Den Sozialdemokraten (CSSD) werden 23 Prozent vorausgesagt. Sie könnten eine Minderheitsregierung anstreben.

Bei den seit Freitag laufenden Parlamentswahlen in Tschechien richten sich die Blicke gespannt auf die Bewegung ANO. Die «Aktion beunruhigter Bürger» nennt sich Anti-System-Partei. In Wirklichkeit handelt es sich um einen reinen Privatklub des Agrarmilliardärs Andrej Babis, der sich mit sehr viel Geld gerade den Eintritt in die politische Szene erkauft.

Babis‘ Partei tut so, als habe sie mit der Politik nichts zu tun. «Ich arbeite und bin kein Politiker», lautet der Wahlslogan des 59-Jährigen, der betont, er habe mit den korrupten Gaunern im Parlament überhaupt nichts zu tun. Offenbar trifft er damit einen Nerv. Denn die Wähler haben nach all den Regierungskapriolen der letzten Jahre tatsächlich genug von der politischen Klasse und verlangen nach neuen Gesichtern – wie eben jenem von Babis.

Mit der Wende zu Reichtum

In der Politik hat Babis bisher keine Rolle gespielt. Ganz anders als in der Wirtschaft, wo der klassische Selfmademan die chaotischen Jahre nach der Wende in den 1990er Jahren ausgenützt hat, um sich ein Imperium zusammenzukaufen. Er sanierte marode landwirtschaftliche Genossenschaften und wurde im Lebensmittelhandel und in der Agrarwirtschaft gross. Mit geschätzten zwei Milliarden Euro Vermögen gilt er als zweitreichster Mann Tschechiens.

Babis kaufte diese Betriebe teils mit Geld aus dem Westen und brachte sie auf Vordermann. Auch Geld aus der Schweiz ist dabei. Man weiss nicht so recht, aus welchen Kanälen. Mit einem raffinierten Lizenzvergabe-System gelang es ihm, in manchen Marktbereichen gewissermassen ein Monopol zu errichten.

«Berlusconi Tschechiens»

Babis hat aber auch unlängst die beiden wichtigsten Tageszeitungen Tschechiens gekauft. Zusätzlich gehören ihm eine Radiostation, ein TV-Sender sowie zwei News-Portale im Internet. Das hat ihm den Namen «Berlusconi Tschechiens» eingetragen. Es ist ein neues Phänomen in Tschechien, dass sich einer der Wirtschaftspaten auch der Medien bemächtigt. Bisher waren die dortigen Medien von solchen Eingriffen verschont geblieben.

Um die Folgen dieses Medienengagements abzuschätzen, ist es noch zu früh. Der Verkauf erfolgte erst im letzten Sommer. Babis sagt, er habe keinerlei Interesse, auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen. Journalistenkollegen verneinen einen direkten Einfluss auf den Redaktionsbetrieb. Irgendwie sei aber der Geist von Babis in den Redaktionsräumen vorhanden, was dann zu einer Art Selbstzensur verleite. Bezeichnend: Die Enthüllungen über eine frühere Geheimdienstmitarbeit von Babis zu kommunistischen Zeiten erschienen ausgerechnet in einer slowakischen Zeitung.

Laut, aber ohne Programm

Ob Babis dem Land Tschechien politisch etwas bieten kann, ist die grosse Frage. In seinen Statements ist er sehr vage. Die Motive, warum er gerade jetzt in die Politik einsteigt, bleiben völlig im Dunkeln. Er bleibt undurchschaubar und lässt sich auf keine Versprechen ein. Er zieht einfach gegen den politischen Betrieb zu Felde, nennt die Politiker Diebe und Betrüger. Dies trägt ihm Sympathien ein.

Babis verspricht zugleich, den Staat wie ein Unternehmen führen zu wollen. Er habe eine Firma mit 30‘000 Mitarbeitern aufgebaut und werde sich doch wohl auch in der Politik durchsetzen können.

Ein eigentliches Programm hat Babis aber nicht. Keine der anderen Parteien will denn auch mit ihm nach den Wahlen zusammenarbeiten. Es könnte aber die Situation eintreten, dass man an Babis gar nicht vorbeikommt. Das wäre wohl keine gute Sache für Tschechien.

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