Als «Kollektivstrafe» gegen die kurdische Bevölkerung hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) den türkischen Militäreinsatz im Südosten des Landes verurteilt. Durch ausgedehnte Ausgangssperren seien die Anwohner tagelang von Strom, Wasser und Gesundheitsversorgung abgeschnitten, teilte die Organisation mit.
Armee und Polizei wendeten exzessive Gewalt an. Durch den Einsatz von schweren Waffen und Scharfschützen in Wohngebieten werde das Leben der Anwohner gefährdet.
Die Türkei führt seit Wochen eine Offensive gegen die verbotene kurdische Untergrundorganisation PKK im Südosten des Landes. Sicherheitskräfte liefern sich dort schwere Gefechte mit der PKK-Jugendorganisation YDG-H. Die Armee tötete nach eigenen Angaben bei Anti-Terror-Einsätzen hunderte Kämpfer, kurdische Organisationen beklagen allerdings seit langem, dass es auch viele zivile Opfer gebe.
Keine Rücksichtnahme auf Zivilisten
AI forderte, die türkische Regierung müsse sicherstellen, dass beim Einsatz keine unbewaffneten Zivilisten verletzt oder getötet werden. Zudem müssten alle Ausgangssperren aufgehoben werden. «Die derzeit laufenden Einsätze unter 24-stündigen Ausgangssperren setzen die Leben von zehntausenden Menschen aufs Spiel und fangen an, kollektiver Bestrafung zu gleichen», erklärte der Leiter des Amnesty-Programms für Europa und Zentralasien, John Dalhuisen.
In den Städten Cizre, Silopi und im Bezirk Sur der Kurdenmetropole Diyarbakir hatten die Behörden im Dezember Ausgangssperren verhängt. Lediglich in Silopi wurde die Sperre inzwischen gelockert. Sie gilt dort seit Dienstag nicht mehr rund um die Uhr, sondern nur noch nachts.
Unabhängige Beobachter behindert
Amnesty warf der islamisch-konservativen Regierung in Ankara vor, überdies die Arbeit unabhängiger Beobachter in den Kurdengebieten unter anderem durch die Androhung von Ermittlungsverfahren zu behindern. Staatschef Recep Tayyip Erdogan geht in letzter Zeit verstärkt juristisch gegen Kritiker vor, denen er «Komplizenschaft» mit aufständischen «Terroristen» vorwirft.
Dalhuisen bemängelte, da die Türkei ein wichtiger Partner im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und in der Flüchtlingskrise in Europa sei, erfahre sie «sehr wenig» Kritik aus der internationalen Gemeinschaft. «Strategische Erwägungen» dürften aber den Vorwurf grober Menschenrechtsverletzungen nicht ausblenden, mahnte der Amnesty-Vertreter. «Die internationale Gemeinschaft darf nicht wegschauen.»
Erst am Mittwoch hatte Amnesty die Kurdischen Kämpfer im Irak gerügt. Diese hätten dort in Rachefeldzügen tausende Häuser arabischer Iraker zerstört und geflohene arabische Zivilisten an der Rückkehr in ihre Heimatorte gehindert.