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100 Tage Emmanuel Macron Überflieger im Sinkflug

Nach gut 100 Tagen im Amt scheint die «amour fou» zwischen Frankreich und Macron schon vorbei. Seine Beliebtheitswerte sinken rapide.

36 Prozent: Nur noch gut einer von drei Franzosen sind mit den ersten Amtshandlungen Emmanuel Macrons zufrieden. Seit 20 Jahren hat kein französischer Präsident so rasch an Popularität eingebüsst.

Nüchtern betrachtet widerspiegelt dieser Absturz die schmale Wählerbasis von lediglich gut 24 Prozent. «In Wahrheit haben ihn die Franzosen gewählt, weil sie die etablierten Politiker loswerden wollten. Dégagez – haut ab, das war die Losung», betont der Kommunikationsexperte Arnaud Mercier. Und das heisse eben nicht, dass die Franzosen auch mit seinen Reformen einverstanden seien.

Video
Macron im Umfragetief
Aus Tagesschau vom 14.08.2017.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 3 Sekunden.

Doch gerade in Sachen Reformen drücken Macron und seine Regierung aufs Tempo. Und sie machen Fehler. Dem neuen Moralisierungsgesetz fallen gleich drei Minister zum Opfer, darunter auch Justizminister François Bayrou. Besagtes Gesetz verbietet Ministern sowie Abgeordneten, nahe Verwandte als Mitarbeiter zu beschäftigen. Ausgerechnet Bayrou, dessen Partei Modem massgeblich zum Erfolg Macrons beigetragen hat. Zwar schiebt das neue Gesetz der Selbstbedienungsmentalität der Abgeordneten einen Riegel, es ist aber dennoch zu wenig konsequent. Dies wiederum enttäuscht die Wähler.

«Immer bedient man sich beim Mittelstand»

Der neue Präsident macht zwar auf dem internationalen Parkett eine gute Figur. Darauf sind die Franzosen auch stolz und Macron passt der präsidiale Habitus wie angegossen.

Doch die Schonfrist ist vorbei, seit der konservative Premierminister Edouard Philippe haushaltspolitisch zurückrudert. Das Loch in der Staatskasse ist noch grösser als angenommen. Also müssen alle energisch sparen. Der Staat, die Gemeinden, selbst die Mittellosen und Studenten. Ihnen streicht man die 5 Euro Wohnungshilfe pro Monat. Steuererleichterungen? Gibt es nächstes Jahr – vielleicht.

Gerade Rentnern stösst das sauer auf. «Ich muss einen höheren Sozialbeitrag leisten. Die versprochene Streichung der Wohn- und Grundstückssteuer aber wird zurückgestellt. Es ist immer das gleiche, immer bedient man sich bei uns, beim Mittelstand», ärgert sich Jean-Luc Ménétrier aus Troyes (Aube). Auch für den Fischhändler Yannick Quénea in Ouistreham (Calvados) fällt die Steuerrechnung höher aus. «Es sind doch alle gleich. Es ist eigentlich egal, von wem wir über den Tisch gezogen werden.»

Das Schweigen des Präsidenten

Dass Emmanuel Macron Armeechef Pierre de Villiers respektlos öffentlich abkanzelte, weil er es wagte, Sparmassnahmen bei der Verteidigung zu kritisieren, kostete weitere Sympathien. «Macron verwechselt Autorität mit Selbstherrlichkeit», so der Tenor im Volk. Zu eben diesem wird die Distanz immer grösser. Macron gibt kaum Interviews, äussert sich nicht zum politischen Tagesgeschäft.

Der neue Präsident will sich damit abheben von seinen Vorgängern, die sich in alles einmischten (Nicolas Sarkozy) oder einfach nur geschwätzig waren (François Hollande).

Eine so schlechte Saison wie diese hatte ich noch nie.
Autor: John Piaget Marktfahrer

Doch Macrons Schweigen kommt nicht gut an. «Ich möchte, dass sich der Präsident mehr politisch äussert, dass er seine Vorhaben erklärt. Auch die Minister sieht und hört man zu wenig, sie sollten mehr präsent sein», sagt Brigitte Poirier. Die Lehrerin aus Ouistreham (Calvados) war anfangs sehr enthusiastisch. Heute zweifelt sie. «In meinem Umfeld sehe ich viele Leute, die ebenso skeptisch geworden sind wie ich oder Macron inzwischen sogar ganz ablehnen.»

«Ich glaube an ihn!»

Den Gürtel enger schnallen und gleichzeitig beliebt bleiben, das ist noch keinem Präsidenten, keiner Regierung gelungen. Zwar sind die Arbeitslosenzahlen auf dem tiesten Stand seit 2012 (9,2 Prozent: Stand 17.8.17) und die Auftragsbücher füllen sich wieder.

Doch bei vielen Leuten zeichnet sich noch kein Silberstreifen am Horizont ab. «Ich bin seit 25 Jahren Marktfahrer. Aber eine so schlechte Saison wie diese hatte ich noch nie. Ich sehe am Fernsehen, dass einige sagen, es gehe besser. Aber das gilt nicht für alle», meint John Piaget aus Falaise (Calvados) bitter. Er anerkennt indes, dass auch Macron keinen Zauberstab besitze und nicht «alles auf einmal» machen könne. Also wartet er ab.

Das «Ich glaube an ihn!» von Christine Duquenne tönt da schon fast trotzig. Die Pariser Oberkellnerin findet, er habe schon einige Anliegen gut aufgegleist. Man müsse ihm eben Zeit geben.

Härtetest Arbeitsmarktreform

Zeit, die Macron nicht hat. Bereits Ende August kommt es zum Härtetest. Dann gibt die Regierung die Details zur Reform des Arbeitsmarkts bekannt. Eine Lockerung des Arbeitsrechts ist geplant. Änderungen, die per Verordnung verfügt werden. Das Parlament kann nur begrenzt mitreden.

Reformen von ‹oben› kommen ‹unten› nicht gut an. Noch ist unklar, wie Gewerkschaften und Linke ihren Widerstand organisieren. Doch ein heisser Herbst ist nicht auszuschliessen.

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