Der slowakische Regierungschef Robert Fico hat die unverzügliche Einberufung eines EU-Sondergipfels zu den Übergriffen in Köln und Hamburg verlangt. Wichtigstes Ziel dieses Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs solle es sein, eiligst eine «EU-Grenz- und Küstenwache» gegen den «unkontrollierten Zustrom von Migranten» aufzustellen.
Der ursprüngliche Zeitplan für die Aufstellung eines europäischen Grenzschutzes und einer Küstenwache ist inakzeptabel
Die Europäische Union solle zudem Massnahmen zum stärkeren Schutz der Aussengrenzen vorziehen. «Der ursprüngliche Zeitplan für die Aufstellung eines europäischen Grenzschutzes und einer Küstenwache ist inakzeptabel», sagte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico. Bis diese frühestens im Herbst einsatzbereit seien, könnten zwei Millionen Migranten nach Europa gekommen sein. Deswegen müsse ein Gipfel dazu vorgezogen werden.
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Sorge um muslimische Familien
Ficos tschechischer Kollege Bohuslav Sobotka erklärte kurz darauf über Twitter, sein Land werde jedes Vorgehen unterstützen, das einer schnelleren Aufstellung des Grenzschutzes diene. Dazu gehöre auch ein Sondergipfel. Fico hat die Einwanderungsdebatte zu einem zentralen Teil seines Wahlkampfs gemacht. Die Abstimmung in der Slowakei findet am 05. März statt.
Zuvor hatte Fico schon mit islamkritischen Äusserungen für Befürchtungen unter den in der Slowakei lebenden Muslimen gesorgt. Er hatte Migranten und Muslime pauschal als Sicherheitsrisiko für die Slowakei gebrandmarkt. Daraufhin warnte die Islamische Stiftung auf ihrer Internetseite: «Wir befürchten, dass die gegenwärtige gesellschaftliche Atmosphäre die Sicherheit unserer Familien, vor allem Frauen und Kinder, bedrohen kann.»
Wer die angebotene Hilfe nicht zu schätzen weiss, Regeln verletzt oder sogar Straftaten begeht, sollte automatisch aus der EU abgeschoben werden
In die gleiche Kerbe wie der slowakische Regierungschef haute am Freitag auch der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka und forderte die Abschiebung straffälliger Flüchtlinge. «Wer die angebotene Hilfe nicht zu schätzen weiss, Regeln verletzt oder sogar Straftaten begeht, sollte automatisch aus der EU abgeschoben werden», sagte er. Die Ereignisse in deutschen Städten hätten gezeigt, wie wichtig Sicherheit und Integration in der Flüchtlingskrise seien. Eine solche pauschale Regelung würde jedoch der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechen.
In Tschechien haben im vergangenen Jahr knapp 1400 Ausländer Asyl beantragt. Davon wurden nach Angaben des Innenministeriums 70 positiv beschieden. Noch viel weniger Flüchtlinge kamen in die Slowakei: 2015 beantragten nur 169 Menschen Asyl, genehmigt wurde es acht von ihnen.
UNHCR: Erschreckende Berichte
Die Berichte über die Silvesternacht in der Domstadt Köln seien erschreckend, sagte die UNHCR-Vertreterin in Deutschland, Katharina Lumpp, der «Frankfurter Rundschau».
Die Ereignisse verdeutlichten gleichzeitig, dass ohne ausreichende Integration sozial abgehängte Gruppen und Parallelgesellschaften entstünden. Zunächst komme es auf eine schnelle Antwort des Rechtsstaates und umfassende Aufklärung an. Das schulde man den Opfern. «Aber es liegt auch im Interesse der vielen unbescholtenen Schutzsuchenden, die es nicht verdient haben, unter Generalverdacht gestellt zu werden.»
Schlüssel für Integration
Der Schlüssel für gute wirtschaftliche und soziale Integration sei dabei, «dass die Flüchtlinge sich schnell selbst versorgen und vor allem die Kinder und Jugendlichen Zugang zu Bildung haben», sagte die neue Vertreterin des UNHCR Deutschland weiter. Erfreut zeigte sie sich, dass die deutsche Bundesregierung für die neu Angekommenen frühe Integration ermöglichen wolle, insbesondere durch Spracherwerb und schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Schulbildung für die Kinder.
Dabei schliesse gute Integration in einem Aufnahmeland eine spätere Rückkehr nicht aus, sagte Lumpp. «Sie befördert sie sogar, weil sie auch in der Heimat einen Neustart erleichtert.»
Nur eine europäische Lösung
Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise könne nur eine europäische Lösung beitragen, sagte Lumpp. Europa müsse das Thema endlich als gemeinschaftliche Aufgabe sehen. «Zurzeit zeigt sich ja, dass die Rückkehr zu Grenzkontrollen in einigen Ländern nur bewirkt, dass Schutzsuchende in anderen benachbarten Ländern ankommen.» Der UNHCR plädiere für ein gesamteuropäisches Verteilsystem nach Kriterien wie Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft.
Wie sich die zuletzt gesunkenen Flüchtlingszahlen nach dem Winter entwickeln werden, hänge vor allem von der Syrien-Konferenz im Februar in London ab, sagte die UNHCR-Vertreterin. Humanitäre, aber auch langfristige Hilfe für die Erstaufnahmeländer und für die Flüchtlinge vor Ort müssten finanziell gesichert sein. Nur so könne die Situation in den Erstaufnahmeländern stabilisiert werden.