Im Ukraine-Konflikt haben prorussische Separatisten ein Ultimatum der Regierung in Kiew verstreichen lassen. Es habe keine Hinweise darauf gegeben, dass die besetzten Verwaltungsgebäude geräumt und die Waffen abgegeben worden seien, berichteten Medien in Kiew.
«Ich selbst bin auch nie wirklich davon ausgegangen, dass die verschanzten Aktivisten einfach die besetzten Verwaltungsgebäude verlassen und ihre Waffen deponieren», sagt SRF-Korrespondent Peter Gysling dazu in Moskau. Damit das geschehe, müsse die ukrainische Staatsmacht aktiv eingreifen und dies auch vor Ort ultimativ einfordern. «Doch genau das ist bis jetzt nicht passiert», so Gysling.
Loyalität der ukrainischen Armee fraglich
Die Separatisten haben in mehreren Städten der russisch geprägten Region Verwaltungsgebäude besetzt und Barrikaden errichtet. Übergangspräsident Alexander Turtschinow hatte daraufhin mit einem «gross angelegten Anti-Terror-Einsatz» gedroht.
Doch nach Ablauf des Ultimatums krebste er nun zurück. Turtschinow hat sich offen für die Abhaltung eines Referendums im Osten des Landes gezeigt. Die von den Separatisten geforderte Abstimmung könnte am selben Tag wie die Präsidentenwahl am 25. Mai abgehalten werden, sagte er in Kiew.
«Ich denke, die ukrainische Übergangsregierung ist jetzt tatsächlich zum Handeln gezwungen», hatte kurz zuvor noch Peter Gysling die Lage eingeschätzt.
Neues Bataillion für «Kontrollaufgaben»
Und Kiew handelt gleich doppelt. Denn neben dem Zugehen auf die Separatisten gibt es auch weitere Drohgebärden. So will das Innenministerium 350 Reservisten der neu gegründeten Nationalgarde zum Einsatz in der krisengeschüttelten Ostukraine einberufen.
Dabei würde Turtschinow am liebsten die UNO mit ins Boot holen. Beobachter und «Profis» der Vereinten Nationen könnten die «Legitimität unserer Handlungen» bei «Anti-Terror-Einsätzen» bestätigen, regte er in einem Telefonat mit Generalsekretär Ban Ki Moon an. Dass die UNO diesem Wunsch nachkommt, gilt aber als unwahrscheinlich.
Russischer Angriff steht nicht bevor
Die Führung in Moskau warnte unterdessen das krisengeschüttelte Nachbarland vor dem Einsatz der Armee gegen die Separatisten. Das Ziel Russlands sei aber keineswegs eine Annexion der Ostukraine, ist sich Peter Gysling sicher.
«Vielmehr spielt Moskau meines Erachtens auf Zeit und wartet ab in der Hoffnung, dass sich die Situation weiter hochschaukelt.» Sollte sich die Ukraine in der Folge spalten oder aufteilen, sei es für Moskau natürlich von Vorteil, wenn sich die Ostukraine nach Russland ausrichtet.
Sollte das in der Tat der russische Masterplan sein, dann läuft bisher alles im Sinne Moskaus. Denn die Aktivisten in der Ostukraine fordern weiterhin ein Referendum über den Anschluss ihrer Region an Russland.
«Ein Sturmangriff Moskaus steht im Moment kaum bevor, dafür aber weitere Unruhen», skizziert Gysling das für ihn wahrscheinliche Szenario der kommenden Tage und Wochen.