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International Unheiliger Krippenkrieg beschäftigt Frankreich

Frankreich streitet zurzeit heftig um das Thema Religion in der Öffentlichkeit. Doch es geht nicht um das Kruzifix in Schulen oder die Burka in der Amtsstube, sondern um die Weihnachtskrippe in öffentlichen Gebäuden.

SRF: Weihnachtskrippen in öffentlichen Gebäuden geben zurzeit in Frankreich zu reden. Worum geht es?

Rudolf Balmer

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Der Journalist Rudolf Balmer berichtet für deutschsprachige Medien aus Paris über französische Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Darunter auch für SRF.

Rudolf Balmer: Die Krippen sind ein fester Bestandteil der Weihnachtstradition in Frankreich. Sie sind aber eben auch religiöse Symbole und Teil des christlichen Brauchs. Das französische Gesetz von 1905 über die Trennung von Kirche und Staat ist aber sehr klar: Es verbietet religiöse Symbole in der Öffentlichkeit. Deshalb gibt es in Schulen kein Kruzifix, und deshalb wurde auch das islamische Kopftuch in Schulen und in öffentlichen Verwaltungen verboten. Das Gesetz wird nun auch auf die christlichen Krippenfiguren angewandt.

Der Laizismus in Frankreich hat eine lange Tradition. Weshalb kommt es jetzt plötzlich zu einem solchen politischen Krippenkrieg?

Begonnen hat die Polemik mit einem Gerichtsurteil in Nantes. Es verbietet den Departementsbehörden von Vendée in Westfrankreich, in den öffentlichen Räumen Weihnachtskrippen aufzustellen. Das Urteil der Richter führte zu einer heftigen Diskussion über die Rechtslage: Ist das Gesetz über die Trennung von Kirche und Staat wirklich so strikt? Nicht alle bejahen diese Frage.

Der Bürgermeister der südfranzösischen Stadt Béziers, Robert Ménard, stellte als Reaktion gar ebenfalls Krippenfiguren auf, um so gegen das Urteil zu protestieren. Ménard steht dem rechtsextremen Front National sehr nahe und ist für seine Provokationslust bekannt. Er weigert sich nun, der Aufforderung der Präfektur nachzukommen, wonach die Krippen wieder zu entfernen seien. Andere Front-National-Bürgermeister machen es Ménard nun nach: Sie publizieren auf Twitter stolz Fotos ihrer Widerstandsaktion, wie sie das nennen. Auf den Bildern zu sehen sind Weihnachtskrippen in Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden.

Ist der Front National denn besonders kirchenfreundlich und erklärt dies das Engagement der Partei gegen die Trennung von Staat und Kirche?

Nein, nicht unbedingt. Der Front National ist nicht gegen die Trennung von Staat und Kirche, im Gegenteil: Die extreme Rechte Frankreichs pocht ständig auf dieses Gesetz, wenn es darum geht, gegen den Islam Stellung zu nehmen – beispielsweise gegen die Finanzierung einer Moschee mit öffentliche Mitteln oder gegen die Verschleierung und das islamische Kopftuch. Der Front National argumentiert ebenfalls mit der Pflicht zur absoluten religiösen Neutralität, wenn es darum geht, spezifische Forderungen muslimischer Familien wie Schulmahlzeiten ohne Schweinefleisch abzulehnen.

Da wird also mit zweierlei Mass gemessen, je nachdem ob der Laizismus auf christliche oder auf islamische Traditionen angewandt werden soll?

Ja. Allerdings sind die Ansichten mit Blick auf das Thema Laizismus innerhalb des Front National sehr unterschiedlich. Das hindert Leute wie Bürgermeister Ménard aber keineswegs daran, mit diesem unheiligen Krippenkrieg ganz spezifisch auf Stimmenfang zu gehen.

Wie wird dieser Streit ausgehen?

Damit werden sich höhere Gerichtsinstanzen befassen. Der Entscheid liegt vermutlich dann beim Obersten Verwaltungsgericht. Für die Bürgermeister, die den Staat mit den Krippen ganz vorsätzlich provozieren, zeichnet sich in jedem Fall ein Punktesieg ab: Sie können sich so besonders traditionsfreundlich und bürgernah geben. Wie kann man sich besser ins Licht rücken, als mit der Weihnachtsbeleuchtung?

Das Gespräch führte Irene Grüter.

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