Kann ein Beschluss schlecht sein, wenn ihm alle zustimmen – von Simonetta Sommaruga über Angela Merkel und Barack Obama bis zum Emir von Kuwait, dem Papst und den Diktatoren von China bis Simbabwe? Ketzerisch kann man aber auch fragen: Kann etwas gut sein, dem Demokraten, Autokraten und Monarchen unisono applaudieren?
Alle sind sich einig – das ist grundsätzlich erfreulich
Bei der sogenannten «Agenda 2030», der Konkretisierung der UNO-Nachhaltigkeitsziele sind sich alle einig. Das ist grundsätzlich erfreulich. Denn allzu oft ist die sogenannte Weltgemeinschaft ein zerstrittener Haufen.
Und die Ziele, die in den nächsten fünfzehn Jahren die Welt gerechter, wohlhabender und friedlicher machen sollen, sind allesamt plausibel. Schutz der Ozeane etwa, Eliminierung des Hungers, Kampf der Korruption, Bildung für alle, weniger Gewalt – wer will da schon dagegen sein? Richtig ist auch, dass künftig nicht mehr nur Drittweltländer handeln müssen, sondern auch Schwellenländer und die reichen Nationen, nicht zuletzt beim Umweltschutz.
Schaler Nachgeschmack
Dennoch hinterlässt der UNO-Nachhaltigkeitsgipfel einen schalen Nachgeschmack. Daran sind die in New York versammelten Staats- und Regierungschefs selber schuld. Zwar liessen einige in den vergangenen drei Gipfeltagen in Ansätzen erkennen, was sie selber tun wollen, damit die «Agenda 2030» von der Vision zur Realität wird.
Die deutsche Kanzlerin Merkel versprach fast eine Verdoppelung des Entwicklungshilfe-Etats, Bundespräsidentin Sommaruga will die Schweizer Strategie für nachhaltige Entwicklung kompatibel machen mit den UNO-Zielen. Der chinesische und der amerikanische Präsident packen endlich den Kampf gegen die Klimaerwärmung an. Doch von den allermeisten hörte man rein gar nichts Konkretes. Was sie, was ihr Land zu tun gedenkt, bleibt schleierhaft.
Dazu kommt: Die UNO beziffert die Kosten, um die neuen Nachhaltigkeitsziele durchzusetzen, auf drei bis fünf Billionen Franken. Pro Jahr. Das ist das 30-fache der heutigen weltweiten Entwicklungshilfe. Woher die Mittel kommen sollen, dazu gibt es bestenfalls Ideen. Vorhanden sind die enormen Summen noch längst nicht.
Manche Ziele widersprechen sich
Problematisch ist auch, dass sich manche Ziele widersprechen: Kräftiges Wirtschaftswachstum von sieben Prozent in den allerärmsten Ländern verträgt sich schlecht mit der Forderung, den ökologischen Fussabdruck der Menschheit zu verringern.
Manche Ziele sind sehr konkret, etwa das Streben nach Vollbeschäftigung weltweit oder dass bis 2030 niemand mehr hungern und in extremer Armut leben muss. Andere sind äusserst vage: Wie etwa soll man ermessen, ob vage formulierte Ziele wie «Bekämpfung der Korruption» oder «mehr Rechtsstaatlichkeit» erreicht werden?
Ein gewaltiger Katalog, statt weniger klarer Ziele
Vor allem aber: Die Welt hat sich nun 17 Ober- und 169 Unterziele gesetzt. Sie lösen die acht bisherigen Millenniumsziele ab. Deren Charme und deren Erfolg bestand genau darin, dass sie bloss wenige, dafür klare Prioritäten setzten.
An ihre Stelle tritt nun ein gewaltiger Zielkatalog. Manche nennen das inspirierend und spektakulär ehrgeizig. Man kann es aber auch als entmutigend bezeichnen. Enttäuschungen sind programmiert. Sobald alles Priorität hat, hat nichts mehr Priorität. Die UNO und ihre 193 Mitglieder wollen mit der «Agenda 2030» alles für alle. Und das ist zu viel.