FBI-Chef James Comey hat sich erneut mit einem Schreiben an den Kongress gewandt. Der Inhalt des Schreibens ist für die demokratische Kandidatin Hillary Clinton durchwegs positiv: Es gebe auch bei den jüngst untersuchten E-Mails von Clinton keine Hinweise auf kriminelles Verhalten. Es gebe deshalb keine Anklage wegen der vertraulichen E-Mails auf ihrem privaten Server.
Was bedeutet das nun für den Verlauf der US-Präsidentschaftswahl? Antworten darauf gibt Christian Lammert, Professor für nordamerikanische Politik an der Freien Universität in Berlin.
SRF: Mit dem jüngsten Schreiben des FBI-Chefs ist Clinton nun quasi rehabilitiert. Bekommt sie damit für den Schluss-Spurt im Wahlkampf jetzt zusätzlich Aufwind?
Christian Lammert: Ja, sie kann damit sicherlich etwas aus der Defensive kommen. Das Misstrauen in der vergangenen Woche war gross unter der Wählerschaft, zumal das FBI bislang nur vage Ankündigungen gemacht hat.
Hat Hillary Clinton das Rennen nun bereits für sich entschieden?
Man hat schon kurz vorher gesehen, dass sie in nationalen Umfragen zugelegt hat. In manchen Umfragen liegt sie wieder mit fünf Prozentpunkten vorne. Auch in den wichtigen Swinging States hat sie immer noch eine sehr gute Möglichkeit, die nötigen 270 Wahlmänner zu bekommen. Es sieht momentan für Donald Trump viel schwieriger aus. Sein Weg ist viel holpriger als der von Clinton.
Rund 40 Millionen also ca. 30 Prozent der US-Wählenden haben ihre Stimme bereits vorher abgegeben, mit dem sogenannten Early Voting oder der Briefwahl. Kommt die Entlastung vom FBI-Chef für Clinton nun zu spät?
Nein. Man hat schon einige gute Nachrichten von diesen Frühwählern gesehen. Vor allem eine gute Nachricht für die Clinton-Kampagne ist, dass sehr viele Hispanics und Latinos zur Wahl gehen – und die haben in Umfragen eindeutig gesagt, dass sie für Clinton stimmen werden. Das sind wirklich Rekordzahlen, die wir hier sehen. Für Trump hingegen ist gut, dass bislang relativ wenig Afroamerikaner wählen gingen, denn die gehören auch zur Klientel von Clinton. Von den vielen Weissen, die wählen gehen, ist nicht ganz klar: Stimmen Frauen eher für Clinton und Männer eher für Trump? Aber bei den 40 Millionen, die jetzt schon gewählt haben, sieht es so aus, als sei Clinton im Vorteil.
Welche Staaten sind für Trump und Clinton matchentscheidend?
Ganz wichtig ist Florida, aber auch Nevada. Letzterer Staat war bislang immer ein republikanischer Staat. Weil jetzt aber auch hier die Hispanics so wahnsinnig an die Wahlurnen gehen, sieht es so aus, als würde Nevada dieses Jahr auch an die Demokraten gehen können. Spannend ist auch Ohio, traditionell immer ein sehr umkämpfter Staat. Man hat immer gesagt: Wer Ohio gewinnt, der gewinnt die Präsidentschaftswahlen. Das stimmt dieses Jahr wahrscheinlich nicht ganz, aber Trump muss auf alle Fälle Ohio gewinnen. Da wird man morgen Abend wohl sehr früh sehen, in welche Richtung sich der Trend entwickelt.
In Florida sieht es danach aus, als könnte es für Clinton schwierig werden...
Die Zahlen der letzten Wochen haben gezeigt, dass hier sehr wenig Afroamerikaner wählen gegangen sind. Deshalb hat die Clinton-Kampagne hier nochmals massiv in den Wahlkampf investiert. So hat man etwa Konzerte organisiert, um diese Klientel doch noch zu mobilisieren. Die Obamas waren nochmals in Florida. Man versucht alles, um diesen Rückstand noch aufzuholen. Das wird die grosse Unbekannte sein. Sollten die Leute morgen noch zu den Wahlurnen gehen, dann könnte Clinton Florida gewinnen und die Wahl am Abend wäre ziemlich früh schon entschieden – denn in Florida schliessen die Wahllokale um 2 Uhr unsere Zeit. Dann hätte man schon ein fast sicheres Wahlergebnis.
Und für wen schlägt ihr Herz?
Das ist eindeutig Hillary Clinton. Das hat nichts damit zu tun, dass ich ihre politischen Positionen teile. Ich kritisiere sie auch in vielen Positionen. Aber Donald Trump wäre zu unsicher als Präsident. Weil man nicht weiss, welches Programm hinter ihm steht. Zudem ist er ein absoluter Amateur in Politikfragen.
Das Interview führte Claudia Weber.