Es ist eine Herkulesaufgabe, die sich Fischereiexperte Daniel Pauly von der kanadischen Universität in British Columbia vorgenommen hat: Vor zwölf Jahren begann er, mit rund 400 Kollegen aus der ganzen Welt minutiös zusammenzutragen, wie viele Meeresfische und Meeresfrüchte weltweit wirklich gefangen werden.
Die Resultate wurden nun in der renommierten Fachzeitschrift «Nature Communication» veröffentlicht. Das bedrückende Gesamtergebnis: In den letzten Jahrzehnten wird im Schnitt doppelt so viel gefischt, wie bisher bekannt. Bei den Millionen Tonnen, die jährlich gefangen werden, fällt das ins Gewicht. Mancherorts, wie in den Gewässern vor Westafrika, wird gar dreimal so viel gefischt wie bisher angenommen.
Die Länder haben die schlechte Angewohnheit, nur die registrierten Fänge zu melden.
Die offizielle Statistik der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO sei äusserst lückenhaft, da sie auf die Angaben der jeweiligen Länder vertraue, erklärt Pauly. Denn die Länder hätten die schlechte Angewohnheit, nur die registrierten Fänge zu melden. Viele Fische, die auf lokalen Märkten verkauft oder für den Eigengebrauch oder auch illegal gefangen würden, tauchten so in keiner Statistik auf.
Viel Fisch verschwindet unregistriert
Pauly macht ein Beispiel aus den Bahamas: Dort wurden aus einem bestimmten Gebiet gar keine Fänge aus der Kleinfischerei deklariert. Seine Kollegen klärten in der Folge in den vielen Hotels ab, wie viel nicht deklarierter Fisch verkauft wurde.
Für den Meereswissenschaftler Rainer Froese vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel kommen die neuen Zahlen nicht ganz überraschend: «Wir haben so etwas geahnt, aber wussten die genauen Zahlen nicht.»
Das heisst wahrscheinlich im Endeffekt, dass wir etwas weniger Fisch essen sollten.
Froese betont, dass die Weltmeere nicht unbegrenzt Fische liefern könnten. Zurzeit werde mehr geerntet, als nachwachse. Und er folgert daraus, dass wahrscheinlich der Fischkonsum etwas eingeschränkt werden müsste.
Mehrjährige Schonzeit als Lösung?
Froese hat zugleich eine gute Nachricht: Anders als die Versauerung der Ozeane, die Verschmutzung mit Plastik oder der Klimawandel liesse sich das Problem der Überfischung relativ schnell und kostengünstig lösen: Während zwei bis drei Jahren weniger fischen, etwa die Hälfte des heutigen Volumens. Danach könne wieder auf heutigem Niveau und später gar wieder mehr gefischt werden.
Ob dieses Versprechen reicht, um weltweit strengere oder teilweise überhaupt Fischfangquoten durchzusetzen, ist allerdings zweifelhaft.